Die IEA hat einen mehrjährigen Vergleich der globalen Investments in Energietechnologien veröffentlicht. Dabei wird zwischen „clean energy“ und „fossil fuels“ unterschieden.
Der Trend ist eindeutig: Die fossilen sind rückläufig, sie haben sich von dem Corona-Einbruch nicht mal auf das 2019er Niveau erholt. Bei den „sauberen“ hat es gar keinen Corona-Einbruch gegeben, sondern ein starkes Wachstum. Die „sauberen“ liegen damit inzwischen deutlich höher als die „fossilen“ in den letzten zehn Jahren waren. Der Trend wird sich laut IEA sogar beschleunigen, die Schere weiter aufgehen. (Chart1)
Die Zusammensetzung der Investments ist Chart2 zu entnehmen. Wer das bis hier wieder als linksgrün versiffte Zahlen vermutet, sollte zur Kenntnis nehmen, dass die IEA vollkommen unideologisch ist und beispielsweise Kernenergie zu den „sauberen“ zählt – sie spielt nur keine Rolle. Das Wachstum ist vielmehr auf die Erneuerbaren zurück zu führen. Wichtig sind aber auch die dauerhaft hohen Investments in Energieeffizenz und Netze. Erkennbar ist auch das beginnende Wachstum der E-Mobilität. Im Langfristvergleich (Chart3) wird beispielsweise heraus gearbeitet, dass Investments im Ölsektor sich seit 2013 halbiert und die in Solar verdreifacht haben, wodurch alleine Solar nun höher als der früher führende Energieträger der Welt, das Öl, liegt.
Der Treiber dieser Entwicklung ist nicht das Klima, sondern die Ökonomie, was eine bedauerliche, aber umso besser funktionierende Motivation ist. Dazu erneut Chart4, die Kostenentwicklung verschiedener Energieerzeugungsarten. Ich verwende diese Studie von 2019 sehr oft und nenne sie gerne „Gamechanger“.
Sie löst immer wieder merkwürdige Gegenreaktionen aus, die Zahlen werden gerne bezweifelt, was man ja immer tun kann. Aber als „Gegenbeweis“ werden deutsche Endverbrauchertarife oder irgendwelche Schwurbeleien über erzwungene billige Stromexporte und teure Importe angeführt. Ebenso wird mit den Kosten für Stromspeicherung argumentiert und zwar immer, ohne diese Kosten beziffern zu können.
Dieser Quatsch wiederholt sich jedes Mal, obwohl diese „Gegenbeweise“ zu diesen Gestehungskosten gar keine Aussage erlauben und teilweise auch grob falsch sind. Diese Kostenschere ist in informierten Fachkreisen vollkommen unstrittig, ich bin auch recht sicher, dass sie der Spitzenpolitik sowie den meisten einigermaßen informierten, öffentlich agierenden Ökonomen bekannt sind. Die weltweiten Investmentströme belegen diese Daten, auch hinsichtlich der zeitlichen Entwicklung.
Die fatale Erkenntnis für Deutschland lautet, dass wir sehr früh und zu einem sehr teuren Zeitpunkt in Erneuerbare eingestiegen sind. Weitere Investments wie Netze oder Effizienz – das sind beispielsweise die verhassten Wärmepumpen – sind in Deutschland schon immer unterdurchschnittlich ausgefallen.
Nun ist mit diesem „Gamechanger“ weltweit der Ausbau Erneuerbarer sowie die effiziente Elektrifizierung mit hohen Wachstumsraten erkennbar und ausgerechnet dann, als es ökonomisch sogar zwingend wurde, ist Deutschland erlahmt. Im Gegenteil wird unsere politische Landschaft gerade sogar allen ernstes auch noch damit vergiftet, von Kernenergie bis zu E-Fuels exakt das zu propagieren, was weltweit keine Rolle spielt. Mehr noch, jeder, der in dieser Debatte exakt das fordert, was weltweit getan wird, kann sehr erfolgreich an den Pranger gestellt werden und wird mitsamt seinen Ideen besonders hell angezündet.
Das wird dann auch noch begleitet von einer Standortdebatte und dem neuen emotionalisierenden Triggerbegriff der Deindustrialisierung, die in der Tat droht, wenn diese Gesellschaft und ihre Politik nicht ganz klar erkennen, was hier unstrittig passiert: Für ein Industrieland werden die Nutzung Erneuerbarer Energie sowie die möglichst weitreichende Elektrifizierung der Energiesysteme zu einem wichtigen Standortfaktor.
Weitere sind übrigens Bürokratie, Digitalisierung, Fachkräfte und Behebung von Investitionsrückständen durch die „richtigen“ Schulden. Aber da sind wir ja auch ganz vorne dabei.
Wenn ich mir das AfD-„Programm“ oder besser gesagt deren Propaganda, die unerträgliche Annäherung der Union an deren Narrative, die heillos zerstrittene Dreierkoalition in der Regierung und die gänzlich neben dem Notwendigen liegende politisch/gesellschaftliche Debatte anschaue, könnten wir gerade ein Standortproblem züchten, dessen Umfang wir gar nicht überblicken.
Dazu gibt es einen Frühindikator, der nicht zu unterschätzen ist. Die weltweit tätige Wirtschaftsberatung EY führt regelmäßig eine strukturierte Befragung von mehr als 1200 Unternehmenschefs aus allen größeren Industrieländern durch. In Chart5 wird deutlich, dass die Substanz für unsere Zukunft erodiert: Mehr als die Hälfte der Unternehmen in Deutschland will bereits geplante Investitionen stoppen, weltweit sind es wegen der aktuellen Spannungen ein Drittel.
Wir brauchen genau das Gegenteil, wachsende Investitionen in die innovativen Felder. Der deutsche Staat macht das schon lange nicht mehr, die Unternehmen folgen dem nun leider.
Das lässt sich nur ändern, wenn die Modernisierung unseres Denkens und unserer öffentlichen Debatten gelingt. Die Themen von Bürokratie über Energie bis zur Schuldenpolitik sind in der seit Dekaden zu beobachtenden Politik festgefahren. Die vom Kanzler ausgerufene Zeitenwende ist notwendig, sie kann aber nur auf Druck der Gesellschaft erreicht werden, diese Politik wird dazu nicht die Kraft haben – und die AfD macht alles noch viel schlimmer!