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Unsere Debatte über Subventionen geht am Thema vorbei

Die nächste Förderung wird diskutiert, hier nun TSMC in Dresden. Zuvor Intel in Magdeburg. Die deutsche Ökonomie äußert sich stereotyp skeptisch, Förderungen gelten in unserer Lehre eher als schädlich und voller Fehlanreize. So wird auch der Inflation Reduction Act der Amerikaner kritisch bewertet und dem solle man weder zu viel Bedeutung beimessen, noch sich gar auf einen „Förderwettbewerb“ einlassen.

Die sogenannten „Wirtschaftsweisen“ hatten sogar vor einigen Wochen ein Gutachten vorgelegt und den IRA dort als „überschätzt“ bezeichnet. Allenfalls einzelne Maßnahmen und Branchen könnten am Standort USA davon profitieren, insgesamt werde der nicht viel bewirken, Europa solle das nicht nachmachen. Ich gehe eine persönliche Wette ein, dass diese „Weisen“ in ein paar Jahren froh sein können, wenn sich keiner mehr an dieses Gutachten erinnert. Ich hebe es mir vorsichtshalber auf.

Die Fachliteratur ist voller Analysen und Bewertungen von staatlichen Subventionen und Investments. Man kann in der Tat nachweisen, dass die meisten misslingen. Ein Beispiel aus dem VWL-Grundstudium ist der Gouverneur von Hongkong, der angesichts einer Rattenplage die staatlichen Rattenfänger überfordert sah und das daher privatisierte, wie man heute sagen würde. Er sprach eine Fangprämie für Ratten aus, die jedermann erlangen konnte. Die Zahl der Ratten ging zurück. Dann aber entdeckte der „Privatsektor“, dass es einfacher und ertragreicher ist, Ratten zu züchten, statt frei lebende zu fangen. Das System kippte, die Zahl der Ratten explodierte auf ein Vielfaches der ursprünglichen Plage und die Stadtkasse war durch die vielen Prämien leer.

Ein ganz anderes Beispiel ist Neuschwanstein. Von Ludwig nicht mal als Investment geplant, damals die bayerische Staatskasse fast in den Ruin treibend, eine unfassbare Geldverschwendung. Langfristig jedoch nicht, heute ist das für den Freistaat eine Goldgrube, vermutlich eine der ertragreichsten Investitionen in der bayerischen Geschichte. Ein weiteres Beispiels ist das ausschließlich durch Subventionen und Staatsaufträge entstandene Silicon Valley und der vollständige Aufstieg Chinas zur vielleicht bald führenden Volkswirtschaft – was die Amerikaner mit dem IRA verhindern wollen, vielleicht auch können.

Subventionen und andere staatliche Einflussnahmen auf die Wirtschaft können nicht statisch bewertet werden, sie befinden sich immer in einem Wettbewerb, den es zu beachten gilt. Das chinesische Wirtschaftssystem, eine Kombination aus staatlicher, hoch strategischer Steuerung und zugleich privatem Unternehmertum, ebenso aus einer Mischung von Kapital des Staats und des Privatsektors, ist das erfolgreichste der letzten 20 Jahre. Das muss man nicht mögen und es hat auch zunächst mal nichts mit der Bewertung von Staat und Gesellschaft zu tun, aber ökonomisch ist es ein Wettbewerber, auf den zu reagieren ist.

Der IRA der Amerikaner ist eine dieser Reaktionen und die könnte sich als wuchtiger Erfolg erweisen, der m.E. in Europa überwiegend falsch eingeschätzt wird. Sowohl die Investments, die er auslösen dürfte, also auch die strategisch und strukturell sehr intelligente Umsetzung werden nicht ausreichend gesehen. Es handelt sich dabei um ein System von Steuergutschriften, die jedoch veräußerbar sind. Ein Limit dafür gibt es nicht, die privaten Investoren bestimmen letztlich mit ihrem eigenen Kapital, wie hoch die Fördersumme ausfällt.
Durch die Steuergutschriften wird zudem letztlich ein Gewinn subventioniert, wo auch immer in den USA der stattfindet. Aber mehr noch: Um diese Gutschrift zu erhalten, muss der Investor eine vollständige Wirkungskette in den USA nachweisen, von seinen Zulieferungen bis zu der weiteren Verwendung seiner Produkte.
Das ist enorm klug gemacht, so entstehen in den USA Gespräche über ganze Lieferketten und in der Folge auch Wertschöpfungsketten, die der Staat gar nicht organisieren muss. Der IRA fördert also ein ganzes Netzwerk, das sich von selbst bildet – und nicht singuläre Einzelprojekte.

Das ist in Europa leider strukturell bei weitem nicht so klug aufgestellt. Hier entscheiden Politiker ohne Fachkompetenz über die Förderungen, die zudem keine Steuergutschriften sind und daher mit der Gewinnabsicht der Projekte nichts zu tun haben. Ferner werden Einzelprojekte gefördert, ob das also ein systematisches Ganzes ergibt, liegt in der Hand der Politik und nicht der Unternehmen.
Dass es derzeit wegen des Wettbewerbs leider unverzichtbar ist, gezielte Standortpolitik zu machen, ist unstrittig. Richtig sind die Hinweise von Ökonomen, dass dazu mehr als Förderungen gehören. Unverändert sind Bürokratie, mangelnde Digitalisierung und Fachkräftemangel die Schmerzpunkte für Investitionen, in vielen Branchen zudem die Energiekosten. Förderungen gehören leider dazu, können die anderen Themen aber nicht kompensieren – es geht um ein Gesamtpaket.

Was die vorliegenden Einzelprojekte betrifft, so hatte ich Intel als Geldverschwendung bewertet. Das ist ein Werk, welches vollständig von globalen Lieferketten, viele davon aus China, abhängt und weder hinsichtlich der Diversifikation von Lieferketten, noch bezüglich des Aufbaus nationaler Wertschöpfungsketten viel verspricht.
Bei TSMC könnte das anders sein. Hier werden drei Mitgesellschafter gewonnen und in Dresden entsteht insgesamt ein Ökosystem, das sehr gut miteinander kooperiert und auch viele Leistungen herstellt, die in der europäischen Industrie weiter verarbeitet werden. Das sieht strukturell deutlich klüger aus – aber eine Förderquote von 50%, die in Rede steht, ist auch ein Wort.
Beim IRA sind es einheitlich 30% und auch das ist klug so, da gibt es nämlich nichts zu verhandeln, Voraussetzungen und Bedingungen sind für alle gleich. Auch das ist in Europa anders – ob da in Magdeburg und Dresden die jeweiligen Unternehmen oder die Politik die besseren Verhandler waren, wer will das wissen?

Ich bleibe dabei, dass so etwas besser durch einen Staatsfonds realisiert würde, der von Profis geführt wird. Die sollen entscheiden, wie sie eine neue und innovative Wirtschaftsstruktur aufbauen, welche Einzelprojekte dafür notwendig sind und wie man die verhandelt. Die sollen auch entscheiden, ob man sich an den Projekten beteiligt, Kredite gibt oder Fördermittel.
Es gibt sowohl bei den Entscheidungen als auch den Finanzmodellen eine ganze Bandbreite an Methoden, die ebenfalls von Profis zu managen sind. Das wäre ein Gegenstück zu dem Modell Chinas, welches zu unseren Staats- und Wirtschaftssystemen passt. In Norwegen gibt es das, weit weg vom Einfluss der Politik.

Da die Europäer weder ein Modell ähnlich der strategischen Führung wie in China, noch so ein zumindest intelligentes Regelwerk wie den IRA haben, darf man leider befürchten, dass die lange Liste der misslungenen Fördermaßnahmen in Europa fortgeschrieben wird.

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