Der Kurs von Tesla halbiert sich, der untergehende Laden ist jetzt nur noch eine halbe Billion wert. Stellen werden abgebaut. Autovermieter listen die Dinger aus. E-Autos werden sich wie das Internetz überleben. Musk wird von deutschen Wirtschaftsjournalisten reihenweise belehrt. Das ist kein „Premiumhersteller“ mehr, Werterhalt ist eine wichtige Basis für das Geschäft, Margenerhalt ist wahres Unternehmertum (das ist übrigens die doofe Zwillingsschwester des „Sparens“), Verbrenner sind dabei überlegen, wertstabil und margenstark, die deutsche Industrie weiß, was sie tut, es war klug, dem Unfug nicht zu folgen. So lesen wir sogar Kommentare in Handelsblatt, FAZ & Co, über die ökonomische Holzklasse diverser „Anleger“-Magazine wie die leider fachlich abgestürzte Börse Online oder gar bis zu Tichy et al. ist in der Tat nur zu schweigen. Derselbe Quatsch kommt übrigens auch von „führenden“ Fondsmanagern und Vermögensverwaltern, die Floßbachs lassen dasselbe von sich und leider vertrauen viele denen sogar ihr Geld an.
Egal, nun wissen wir es: Musk ist also ein Idiot, während die deutsche Industrie versteht, wie der Automobilmarkt läuft, im Gleichklang mit den großen Autovermietungen, die wissen auch, was sie tun, seit Jahrzehnten, die Strahlkraft der guten alten Industrien war und ist durch nichts zu ersetzen. Erinnert leider fatal an Verleger aus den späten 90ern, die auf das Printgeschäft setzten. Wegen der hohen Erträge und tollen Margen. Deren Angestellte schreiben heute noch so.
Was für ein Abgrund an Unkenntnis! Die deutschen Automanager sind, das weiß ich zufällig, deutlich klüger, aber wie ich fürchte, zu spät und in Kerntechnologien auch zu lange einen Rückstand zulassend.
Besser sind sogar die Informationen eines simplen Informationsdienstes, der sich Bloomberg nennt. Den dürfen deutsche Journalisten übrigens auch lesen. Bloomberg hat nicht mal die Aufgabe, tiefer zu graben, aber letztlich liefern sogar die wesentlich mehr Substanz.
Zunächst mal gehen die Zahlen von Tesla tatsächlich erheblich zurück. Der Grund ist aber nicht der Absturz der E-Autos, sondern der Wettbewerb aus China. Insbesondere BYD verdrängt Tesla in immer mehr Märkten – sowohl bei den Auslieferungen, als auch beim Preis. Im wichtigsten Markt, in China selbst, stürzen die Marktanteile aller ausländischen Anbieter geradezu ab. Aber auch in den von China bereits ins Visier genommen Märkten, Ozeanien, der Nahe Osten etc. gilt dasselbe: Chinas Marktanteile steigen, die Modelle von Tesla sind der einzige Wettbewerber, die werden aber um bis zu 20% beim Preis unterboten und brutal aus dem Markt gedrängt.
Lesen deutsche Journalisten ADAC-Listen und bewerten globale Technologiemärkte gar mit den heimischen Angeboten im Schaufenster? Wird da übersehen, dass Europa auf der Liste der innovativen Angebote schon lange ganz hinten liegt, dass die wichtigsten Trends woanders stattfinden, dass global aktive Technologieunternehmen ihre Angebote sogar besonders spät in Europa ausrollen – wegen der Regulierung, der vielen Hürden und der besonders trägen Verbraucher, die erst zugreifen, wenn sogar der ADAC in seinen Testberichten so was wie Innovation erkannt hat? Erinnert sich jemand an die ersten Testberichte über das iPhone? Nur so ein kleiner Hinweis, das Ding fiel damals reihenweise durch und die Presse war sich einig: Braucht kein Mensch.
Demnach war Steve Jobs auch ein Idiot. Wie jetzt offensichtlich Musk. Gut, zu wissen.
Nun, über die Person Musk will ich gar nichts weiter sagen, ein Idiot ist er wohl kaum. Aber er hat ein Problem und das sollte bei uns keinesfalls diese abenteuerlich rückständige Dampflokromantik auslösen. Vielmehr gibt Musk selbst sogar bekannt, was uns noch viel mehr sorgen sollte: Wenngleich er das noch dementiert, scheint Tesla erkannt zu haben, dass man im Preiswettbewerb mit China nicht mithalten kann. Wenn Tesla diesbezüglich hustet, sollten die deutschen Autobauer sich vor einer Lungenentzündung im Endstadium fürchten!
Die Strategie von Tesla bestand bisher in der führenden Herstellungseffizienz, was bei der Steuerung von Margen und Preiselastizitäten jeden Wettbewerber alt aussehen lässt. Daher war der Plan, nach dem Hochpreissegment auch die großen Volumensegmente, bei denen die Preise nun mal relevant sind, abzuräumen. Das 25.000$-Weltauto sollte kommen. Der Plan habe Bestand, sagt Musk, aber es kommen immer mehr Informationen, die nahe legen, dass man den Plan gegen Chinesen für nicht mehr durchsetzbar hält.
Es bleibt also abzuwarten, wer tatsächlich in den ganz großen Volumenmärkten dominieren wird. Was Musk aber unmissverständlich bekannt gegeben hat, ist seine – nicht mal neue – Strategie, nun alles auf das „RoboTaxi“ zu setzen. Da der kein Idiot ist, hat er schon länger erkannt, dass es zukünftig nicht nur darum geht, wie man möglichst effizient Autos baut, sondern welche Geschäftsmodelle vor allem durch neue Technologien möglich werden. Auch dazu lesen wir in unseren Medien so rückständiges Zeug, der deutsche Autofahrer wolle sich das „Fahrerlebnis“ nicht nehmen lassen, die berühmten und natürlich immer wichtigen Risiko-Themen (killt das autonome Auto die Oma oder das Baby, ganz wichtige Debatte, so geht Innovation vorwärts!) oder die Technologie-Experten, die ganz genau wissen, dass es gar nicht machbar ist. Vermutlich fehlen auch dafür die Handwerker?
Mal eine kurze Kopfwäsche: Was wir hier sehen, nennt sich Disruption. Das ist eine meist technologisch getriebene Entwicklung, die nicht nur Märkte im Sinne der im Wettbewerb befindlichen Unternehmen, sondern ganze Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten verändert. Ob zukünftig überhaupt mit dem Zusammenschrauben von Blech das große Geld gemacht wird, werden wir sehen. Autonome Fahrzeuge können vom Güterverkehr über den Massen- bis zum Individualverkehr alles verändern bzw. dazu beitragen. Sie können Teil einer Verbesserung der Sharing-Economy sein. Sie können vermeiden helfen, dass jeder glaubt, ein Auto besitzen zu müssen. Sie können Ressourcen sparen, Platz besser nutzen, Logistik vereinfachen. Sie können dazu beitragen, dass Geschäftsmodelle wie „Taxi“ oder „Mietwagen“ geschreddert, dass Geschäftsmodelle wie „Autobau“ marginalisiert werden.
Dabei sind die autonomen Fahrzeuge nur eine von mehreren disruptiven Technologien, die in ihrer Gesamtheit zu bewerten sind. Die Navigation und Routenplanung, die Stauanalyse, das fast schon altbekannte Google-Maps ist so eine. Die vielen Optionen einer Plattformökonomie, vereinfacht so etwas wie „Vermittlung“, also Uber&Co sowie Carsharing-Modelle gehören dazu. Auch die Reiseplanung, in der zunehmend Anbieter wie Booking fast schon markbeherrschende Positionen erreichen, sind zu erwähnen. Das versteht man nur, wenn man „Reise“, „Transport“, „Individualverkehr“ als Prozess erkennt, der einen Gesamtbedarf erfüllt.
So wie „Information“ mal darin bestand, Zeitung zu lesen. Dann kam Google. Die Verleger brauchten 20 Jahre, um das zu erkennen!
Die deutschen Autobauer sind da sogar viel schneller. Ich war vor 15 Jahren in einer Strategiegruppe aus Bahn, Lufthansa und VW. Erkenntnis: Man muss vom Anbieter singulärer Leistungen zum integrierten Mobilitätsdienstleister werden, bevor Plattformen das mit Vermittlungsdiensten übernehmen und die Wertschöpfung der, ich zitiere, „Kistenschieber“ und „Kistenschrauber“ marginalisieren. Aus dem Projekt ist leider außer der Erkenntnis, dass es zwingend notwendig ist, nichts geworden. Das ist übrigens kein deutsches Problem, Transformationsprozesse sind Disruptionsprozessen meist unterlegen.
Das deutsche und europäische Problem ist, dass wir den Wert des Erhaltens höher als den des Erneuerns setzen und daher Disruptionen fast nur mit Transformationen begegnen wollen. Das kann nicht funktionieren. Das Problem von Musk ist ein anderes: Es sieht so aus, dass er viel schneller auf Technologien und Ertragsmodelle jenseits des Autobaus setzen muss. Da hat er es nicht mit den Chinesen zu tun. Bei den Themen sind so technologisch und vom Cashbestand nicht ganz unbedeutende Läden wie Alphabet/Google, Amazon, Nvidia unterwegs – und teilweise viel weiter. Man darf übrigens vermuten, dass der Kursverfall der Tesla-Aktien genau deshalb eingesetzt hat. Ich würde sie daher auch nicht anfassen, aber das ist keine Beratung, sondern eine Meinung mit dem Recht auf persönlichen Irrtum.
Auch hier gilt aber: Wenn Musk deswegen merkt, rennen zu müssen, sollte die deutsche Industrie gewiss nicht auf die Idee kommen, sitzen zu bleiben!
Hier ein paar Charts und Quellen dazu:
https://technologymagazine.com/top10/top-10-autonomous-vehicle-companies
https://zeitung.faz.net/faz/unternehmen/2024-04-16/5bb36d669524a6738082000041dcd813/