Ich erhalte oft Hinweise, ökonomische Transformationen oder Disruptionen könnten nicht „exponentiell“ verlaufen. Das halte ich für einen fatalen und fundamentalen Irrtum. Es gibt meist eine sehr „zähe“ Anlaufphase, in der innovative Technologien und Produkte zur Reife finden. Sobald die erreicht ist, gibt es zwei ganz normale Treiber: Seitens der Nachfrage erzeugt jedes erfolgreich und zufrieden eingesetzte Produkt im sozialen Graphen des Erstkäufers Folgekäufe. Seitens der Herstellung wird auf eine gut funktionierende Fabrik eine zweite geplant, mit deren Inbetriebnahme sich der Output verdoppelt. Beides sind Vermehrungsprozesse, die eine „exponentielle“ oder „explosive“ Phase auslösen. Selbstverständlich läuft die – sogar sehr rasch – in eine Sättigung der Nachfrage. Das ist meist eine zweite, „zähe“ Phase bis zur Erreichung der vollständigen Nachfrage.
In der Ökonomie spricht man von „S-Kurve“, in der Mathematik von logistischem Wachstum. Sollte seit Corona eigentlich jeder kennen, aber das gilt ja bis heute auch als „strittig“. Exponentiell ist dieser Verlauf mathematisch übrigens in jeder Phase. Das kann nämlich sowohl „zäh“ als auch „explosiv“ in unserer Wahrnehmung sein, die aber vor allem mit solchen Prozessen überfordert ist. Die ökonomischen Herausforderungen: Wer in der „zähen“ Anlaufphase nicht mitzieht, wird in der exponentiellen Wachstumsphase überrollt. Wer in der „zähen“ Sättigungsphase seine Kosten nicht im Griff hat, fliegt aus dem Markt.
Da inzwischen wissenschaftlicher Stand ist, dass solche Verläufe eben nicht Ausnahme, sondern Normalfall sind, setzen Preiskämpfe um Marktanteile oft bereits in der „explosiven“ Wachstumsphase ein.
Dadurch erfolgt die Selektion der Akteure noch früher. Das ist der Grund, weshalb ich auf gewisse Wachstumsraten momentan so hinweise. Wer das jenseits der ideologisch von allen Seiten belasteten Energie- und Elektrifizierungsmärkte beobachten möchte, kann sich im Streamingmarkt mal umschauen. Was Netflix macht, ist ein Kapitel aus dem Lehrbuch. Amazon hat das ebenfalls gezeigt. Leider schreiben deutsche Sparökonomen bis heute über deren mangelnde Margen und zu hohe Kosten. Dabei sogar übersehend, dass die in den Kernprozessen enorm kosteneffizient arbeiten, während sie beim Wachstum keine Kosten scheuen.
So macht man das nämlich. Alles andere kann allenfalls eine Nische suchen. Leider haben auch einige Staaten das für ihre Industriepolitik entdeckt. Hier sagen deutsche Sparökonomen, das solle man grundsätzlich nicht tun, weil es angeblich nicht funktioniert.
Anstrengend.