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Die globalen Daten und Trends belegen eindeutig, dass die Dekarbonisierung nicht nur möglich ist, sondern umgesetzt wird – aus Gründen!

Ein sehr lesenswerter Bericht von Ember über die Trends der globalen Stromerzeugung bis 2023. Die genutzten Quellen von der IEA bis zu ENTSO-E dürfen als unstrittig unabhängig gelten und was hier an Daten methodisch hoch qualitativ aggregiert und aufbereitet wurde, ist bis in jedes Chart dieses knapp 200 seitigen Reports sehr lesenswert.

Ich kann daher nur einige wenige Ergebnisse herausgreifen, die zur Einordnung unserer Energiedebatten vielleicht hilfreich sind. Wir haben tatsächlich 2023 global ein Drittel der Stromerzeugung durch Erneuerbare gesehen. Der Trend geht unzweifelhaft weiter in diese Richtung, die Treiber sind PV- und Windstrom, die exponentiell wachsen. Seit zehn Jahren sehen wir hier eine Verdopplung ca. alle drei Jahre. Der Bericht geht sogar von einer Beschleunigung aus, aber selbst dieser Trend wird in nochmals neun Jahren eine Verachtfachung erwarten lassen, weshalb die Ziele einer Dekarbonisierung immer realistischer werden.

Tatsächlich läuft diese Entwicklung unter Schwankungen. So konnte – Chart 1 – nachgewiesen werden, dass es in einigen Ländern aufgrund von Trockenheiten und damit Rückgängen der Wasserkraft zu einem vorübergehenden Anstieg der Kohleverstromung kam. Diesen Effekt gab es 2022 in Deutschland übrigens wegen der Ersatzlieferungen für die Ausfälle der französischen Kernenergie. Ebenso zeigen die Jahresdaten Schwankungen aufgrund besonderer Ereignisse, so die Finanzkrise, Corona und der Ukraine-Krieg. Das sind immer Jahre, in denen Trends in die eine oder andere Richtung sprunghaft ausbrechen, um sich dann ebenso sprunghaft wieder anzugleichen.

Der Report besticht durch viele Analysen, in denen diese Wellenbewegungen durch eine langfristige Glättung heraus gerechnet werden. Das sind exzellente Darstellungen, die viel besser auflösen, wohin die Reise geht. Das Fazit lautet, dass vor allem in den letzten ca. zehn Jahren der stark wachsende PV- und Windausbau zum Gamechanger der Stromerzeugung geworden ist (Chart2), die nun die lange für unrealistisch gehaltenen Dekarbonisierungsszenarien als erreichbar darstellen. Der Bericht versteht sich dabei nicht als Jubelmeldung, denn es bleibt ein weiter Weg und die zuletzt gezeigten Ausbauraten müssen sich auch so fortsetzen, auch das wird in Chart 2 ersichtlich.

Gleichwohl hat dies dazu geführt, dass – und für mich eines der wichtigsten Charts, hier das dritte – bereits mehr als die Hälfte der Länder seit mindestens fünf Jahren auf dem Weg einer Dekarbonisierung der Stromerzeugung ist. Ferner ist 2023 in der Glättung der Daten ein Kipppunkt gelungen, denn erstmals konnte der Mehrbedarf an Strom durch den zusätzlichen Ausbau Erneuerbarer in der globalen Aggregation überkompensiert werden (Chart 4). Der Planet muss also für seinen wachsenden Strombedarf keine fossilen Energien zusätzlich nutzen, er ist nun erstmals auch insgesamt auf dem Weg der Dekarbonisierung angelangt.

Für alle, die behaupten, das sei nur durch einen Degrowth-Pfad möglich oder so beabsichtigt, der Hinweis, dass die IEA-Szenarien, die hier Grundlage sind, sowohl ein Wachstum der Weltwirtschaft als auch eine weitere Elektrifizierung zur vollständigen Dekarbonisierung vorsehen. Die Frage, „wo soll denn der ganze Strom herkommen“, ist hier also ebenso berücksichtigt wie das weitere Wachstum aller Volkswirtschaften. Während bei uns gestritten wird, ob das möglich ist und was das „kostet“, passiert global also das genaue Gegenteil und zwar mit Beschleunigung. Chart 5 zeigt das eindrucksvoll, denn die sehr konservativ agierende IEA hat in den letzten Jahren den EE-Ausbau stets deutlich unterschätzt. Der exponentiell sinkende weitere Ausbaupfad ist dramatisch, man erkennt in dem Chart, wie innerhalb von nur drei Jahren aus einem als vollkommen unrealistisch bewerteten steilen Ausbaupfad ein nun sehr moderater geworden ist – und der wird noch flacher werden bzw. früher erreicht sein.

Das ist methodisch ein gutes Beispiel mehr, weshalb man sich von solchen absoluten Flächenunterschieden wie in Chart2 nicht leiten lassen sollte, die dort ebenfalls sehr gut erkennbaren Trends zu ignorieren. Die grüne Fläche dort ist zwar klein, aber die wächst exponentiell und die Analysen zeigen, dass sie tatsächlich die dominierende ist, obwohl das Bild es auf den ersten Blick so gar nicht ausdrückt.

Der Report weist schließlich darauf hin, dass sowohl beim EE-Ausbau als auch bei der Elektrifizierung China, also das Land mit dem am stärksten wachsenden Energiehunger und mit der leider zugleich immer noch großen Kohleverstromung, der führende Treiber ist. In vielen Daten baut China alleine mehr aus oder um, als der gesamte Rest der Welt – Chart6 ist nur ein Beispiel. Es ist also ein Beleg mehr, das Bild von China als großen Emittenten von CO2 zumindest zu ergänzen um den größten Treiber, das zu ändern. Das Land hat unmissverständlich die Absicht verkündet, aus der Nutzung fossiler Energien auszusteigen und genau das tun sie auch. Der Grund dürfte primär in Importabhängigkeiten und damit verbundenen hohen Kapitalabflüssen mangels eigener fossiler Vorkommen bestehen, aber gerade die Europäer könnten den Charme dieser Idee auch mal entdecken.

Die Schwerpunkte unserer Debatte mit Zerrbildern von Alleingängen, angeblichen Machbarkeitslücken und global angeblich ganz anders laufenden Trends, gegen die wir uns gar nicht wehren können und die viel mehr Rücksicht auf Wohlstand und Wachstum legen, können schlicht nicht bestätigt werden. Jedes Land mag seine singulären Unterschiede entscheiden, beim Tempo der Veränderung schneller oder langsamer vorgehen, aber insgesamt ist die Entwicklung mit viel mehr Ähnlichkeiten als Unterschieden festzustellen. Dabei ist Europa eher durchschnittlich unterwegs, wo es wegen einer geopolitisch/strategisch ähnlichen Ausgangslage besser beraten wäre, das chinesische Modell anzustreben.

Und das heißt verkürzt: Ausbau von PV-, Wind, Batterien, E-Autos und Wärmepumpen. Wir werden übrigens im nächsten Schritt aus China die Elektrifizierung von industriellen Prozessen jeglicher Art erleben. Auch das darf Europa aufgrund seiner Stellung als Industriestandort nicht verschlafen. Erneuerbare Erzeugung und Elektrifizierung durch alle Wertschöpfungsketten sind die maßgeblichen Industriestrategien der nächsten Jahrzehnte. Das haben sogar die auf fossiler Eigenversorgung sitzenden Amerikaner erkannt.

 

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