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Viola, der Energiemarkt: Ein Markt, in dem überforderte Unternehmen Gehör finden!

Ein kleiner Rant zum ersten Kaffee zur Genese einer Meldung des Statistischen Bundesamts, das sogar eine Beschleunigung des Solar-Ausbaus in Deutschland vermeldete. Treiber sind keineswegs die effizientesten Lösungen, also größere und optimiert installierte Anlagen, nein, dafür bräuchte man ein konstruktives Zusammenwirken von Investoren, Kommunen, Netzbetreibern, Landbesitzern und bessere Mittel gegen die Öl-Lobby, die unter der Tarnung von Naturschützern sowie mancher dort verirrter Hirne garantiert bei jedem Energieprojekt einen Bandwurm im Gedärm der Planung findet, der ganz dringend zu erhalten ist, damit die Welt nicht doch noch untergeht.

So also reagiert der Privatsektor: Unternehmen und Haushalte können rechnen, was sich woanders angeblich niemals rechnet und nutzen jede von Ihnen selbst ohne, naja fast ohne bürokratische Lasten verfügbare Fläche, um damit Strom zu produzieren. Ist in der Gesamtsumme zwar teurer, je kleiner, desto mehr Overhead, aber an der Stelle wenigstens mal ökologisch, denn die vielen versiegelten und nutzlosen Flächen, die nun Energie produzieren, machen Sinn. Ansonsten ein Lehrbuchbeispiel, dass Tausende positive BWL-Rechnungen in der volkswirtschaftlichen Bilanz keinesfalls das Optimum bedeuten müssen.

Anyway, das Handelsblatt findet das ganz toll, „Solar-Boom hält an“, die DESTATIS-Daten werden in Text gegossen, als Erfolgsmeldung. So war das überall zu lesen. Sehr lange hielten die Autoren das aber nicht aus, die Netzbetreiber natürlich auch nicht. Die meldeten rasch ihre ersten Stimmen, denn diese Strommenge, oh weh, oh je, damit „konnte ja keiner rechnen“, die könnten die Netze nämlich überlasten. Zur kleinen, nebensächlichen Klarstellung, da selten gelesen: Wir reden von der Kapazität, die im Mittel seit >30 Jahren da so liegt, bilanziell (BWL!!) bestens gedeiht, weil sie (VWL?) garantiert nicht(!!) wächst!

So kommt das Handelsblatt zur Erkenntnis: „Angst vor Solar-Infarkt“! Das Wort mit der Farbe Schwarz und dem Out am Ende darf natürlich auch nicht fehlen. So ein Handelsblatt will schließlich in Google&Co was reißen, wo kämen wir – oder die? – denn hin, wenn der eine oder andere Blackout-Fetischist gar am Handelsblatt vorbei käme. Im Artikel selbst kommen dann unkritisch die Stimmen, die klarstellen, dass deren (!!) Netze diese Energiemenge gar nicht aufnehmen können und das liege an der Technik der anderen, also der ganzen wahnsinnigen Privatleute, die so etwas – ich wiederhole, „keiner konnte das wissen“ wie bescheuert bauen. Naja, weil das nun mal ökonomisch höchsten Sinn macht, aber das ist nur meine Anmerkung. Begründung der Netzbetreiber: Die meisten dieser Anlagen können nicht abgeregelt werden, wenn zu viel Strom da ist. Wie traurig, man kann diesen „konnte keiner wissen“ Strom leider nicht wegwerfen, das ist der Gedanke dahinter. Der Spiegel spricht daher davon, „der Solarboom überfordert Deutschlands Stromnetze“. Immerhin verzichtet man auf dieses Out mit B am Anfang. In der Sanitärabteilung der Medien wird das alles viel klarer ausgedrückt, hier – sonst redet ja keiner darüber, das muss endlich mal gesagt werden – lesen wir was von Kontrollverlust, Warnungen, Stromausfällen, Bedenken und das sagen ganz viele „Experten“.

Das kleine Highlight, wobei das relativ zu sehen ist, findet sich in der FAZ, Link anbei. Ich vermute, dass Hanna Decker hier maßgeblich mitwirkte, ein Hoffnungsschimmer als Gegengewicht zu ihrem Kollegen Geinitz, der hier als Co-Autor steht. Alleine verantwortlich hätte Geinitz sich wohl eher versucht, mit etwas feineren Worten die „Blackout-News“ rechts unten zu überholen und statt eines feschen Handwerkers wäre wohl Habeck auf dem Bild gelandet. So aber werden tatsächlich einige Experten von Rang zitiert, die bestätigen, dass hier der eine Ausbau (PV) durch den Privatsektor weit schneller läuft als der dafür eigentlich notwendige zwei Ausbau (Netze). Als Lösung schlagen die jedoch mehr Heimspeicher vor, die aber durch Smartmeter intelligent zu steuern wären, um eine Entlastung zu bringen. Hüstel, kleiner Hinweis, steht da auch nicht: Da ist Deutschland in Europa mit Abstand Schlusslicht, konnte nämlich auch keiner wissen, die Netzbetreiber sind erneut höchst überrascht. Immerhin bemühen sich die FAZ-Befragten um eine Lösung, diese Energie zu nutzen und nicht zu vernichten. Daher gelingt dieser Beitrag etwas besser und er titelt auch sachgerechter, sprachlich gar ganz elegant: „Solarboom mit Schattenseite“. Geht doch!

Nun, besser wäre es, mal eine Stufe tiefer zu graben. Wir haben in Deutschland hunderte Netzbetreiber auf allen Ebenen. Zu lesen ist fast nur zu den hoch regulierten Übertragungsnetzbetreibern. Die kommen bekanntlich auch nicht hinterher, was sie auf Regulierung und Genehmigungsstau zurück führen. Immerhin dürfte das den größeren Teil der Wahrheit beschreiben. Dass diese Unternehmen – jedoch aufgrund von Regulierung und Marktstruktur – in ihrer Dynamik trotzdem einen gewissen Sicherheitsabstand zu Google&Co haben, sei jedoch erwähnt. Weitaus fußlahmer geht es in den Etagen darunter zu, wo es von ehemaligen Großversorgern mit Landesbeteiligung bis zu hunderten Stadtwerken reicht, die hier teilweise erneut zu Wort kommen. Wir hatten dazu bereits jede Menge ähnlicher Berichte gelesen, sei es bei der Versorgung mit E-Ladestruktur, von Wärmepumpen oder eben der Aufnahme von privat erzeugter Energie. Leider lesen sich diese Berichte immer gleich. Dieses „konnte keiner wissen“ Geheule und das Entsetzen, dass da so eine völlig überraschende Energiewende kommt, die gar die Frechheit besitzt, mit über Dekaden profitabel verwalteter Kapazität und Technologie nicht mehr auszukommen, ja, genau das wird von den Autoren stets gerne bestätigt um Titel wie hier zu lesen zu begründen.

Nun kann ich die vielen Entscheider in den Unternehmen wirklich sehr gut verstehen, es sind schlicht Kollegen, die aufrichtig ihren Job machen und den meist auch nicht neu erfinden können. Das sind überwiegend kommunale Gesellschaften und die meisten Kommunen nutzen sie, um den eigenen Bürgern teuren Strom und teures Gas zu verkaufen, damit so lästige Dinge wie Schwimmbäder oder öffentlicher Nahverkehr damit quer subventioniert werden können. Es soll sogar Fälle geben, in denen Kommunen die Stadtbibliothek oder Aufgaben der Müllentsorgung auch noch irgendwie den eigenen Stadtwerken untergeschoben haben. Beliebtes Verfahren dazu ist, dass Stadtwerke für deren Öffentlichkeitsarbeit als Sponsoren agieren oder Veranstaltungen fördern. Das ist der Grund, weshalb das Logo unserer Stadtwerke möglicherweise plötzlich auch auf dem lokalen Wertstoffhof auftaucht. Ist aber nur anekdotisch, gewiss alles Ausnahmen.

Läuft ansonsten voll transparent, die Bürger und Bürgerinnen sind immer bestens informiert, was mit dem Geld passiert, das sie für Strom, Gas und Wasser überweisen. Sie können vollkommen sicher sein, dass das kompetent eingesetzt wird und garantiert dem Aufbau einer modernen Energieversorgung und nur dem dient. Übrigens: Schönen Gruß an die vielen Autoren und auch Stadtwerke: Es gibt bei einer ansonsten unbekannten Pommesbude namens Tesla so komische Container zu kaufen. Listenpreis unverhandelt 1 Million. Damit kann man den Strom von 60.000 Haushalten puffern. Schon klar, so manches Stadtwerk würde vielleicht sogar zwei oder noch mehr davon brauchen. Ebenso klar, man müsste oft auch etwas mehr Kupfer verbauen, um diese Energiemengen transportieren zu können.

Nein, lieber Spiegel, nicht der Solarboom überfordert die Netze, hunderte Unternehmen in Deutschlands Energiewirtschaft sind hoffnungslos überfordert. Einfach mal zurücklehnen und eine Minute – das sollte reichen – nachdenken: Wenn man über den Tütensuppenmarkt schreiben würde und dann lauter Manager von Tütensuppenanlagen anrufen, um sich zu beschweren, dass sie die Nachfrage und die Anforderungen des Markts nicht erfüllen können, worüber so ganz genau würde man dann wohl schreiben?

Leider sind wir wieder bei VWL versus BWL, vor allem aber bei Entscheidungs- und Marktstrukturen, den daraus entstehenden Prozessen etc. etc. Klar kann man nun versuchen, in jedem Haushalt den eigenen kleinsten Heimspeicher, die genau deshalb pro Kapazität immer noch zu Mondpreisen absetzbar sind, einzusetzen. Besser, kann man jedem Haushalt nur empfehlen, wäre das eigene E-Auto, denn da kauft man auch als Einzelverbraucher den Akku zu weit besseren Preisen. Wenn man die als „eh da“ Speicher sieht, macht das BWL, VWL und ökologischen Ressourceneinsatz bewertet, durchaus Sinn. Aber, ach ja, bidirektionales Laden, da war doch was? Dennoch: Die tatsächlich trivialste aller immer noch dezentralen und in allen Belangen effizientesten Lösungen ist es, so ein paar Tesla-Kisten ortsnah aufzustellen. Gibt’s auch von BYD und vielen weiteren, werden übrigens immer billiger.

Dann muss keiner mehr Heulen, bei den Stadtwerken nicht und die hoch agilen Netzbetreiber darüber könnten bei der Lücke zwischen dem, was sie tun und dem, was sie tun sollten, zumindest eine kleinere Verbesserung feststellen. Kleine Schlussbemerkung: Ich bin immer wieder sehr belustigt, wenn man mir unterstellt, ich sei Lobbyist in der Energiebranche. Intern höre ich eher so Begriffe, die kuschlig mit „Nest“ beginnen und dann doch ganz schmutzig enden.

Anstrengend.



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