Der als Gastbeitrag gekennzeichnete Musk-Artikel in der Welt erzeugt zwei Wellen der Empörung, die sich überwiegend absichtlich auf verschiedenen Ebenen bewegen. Die eine „bedient“ vergleichsweise „elegant“ ein Mitglied der Focus-Chefredaktion, den ich hier exemplarisch für viele zitiere. Er behauptet den Vorgang quasi als systemisch richtigen im Sinne der Meinungsfreiheit und zitiert sogar Artikel 5. Zugleich unterstellt er Kritikern letztlich so etwas wie Zensur. Andere Kommentare drücken das wesentlich deutlicher aus, inklusive der stereotypen Thesen über „linke Systemmedien“. Demnach wäre die Springer-Aktion also eine systembedingt korrekte Umsetzung der Meinungsfreiheit, während die Kritiker eben diese einmal mehr einschränken möchten.
Das ist eine sachlich falsche Darstellung und leider äußern sich gleich mehrere Chefredakteure so. Es ist bedauerlich, dass Herr Tuma hier sogar die Pressefreiheit bemüht, um diese zugleich komplett falsch zu interpretieren. Es bleibt nur zu hoffen, dass er sie bei Ausübung seines Jobs besser versteht. Die Meinungsvielfalt findet nicht in den Medien, sondern oberhalb durch die Vielfalt der Medien statt. Es ist explizit nicht Aufgabe von Medien, besonders viele oder gar alle Meinungen zuzulassen. Genau deshalb ist die Pressefreiheit formuliert worden, denn die besagt genau das Gegenteil der Aussage von Tuma, es ist Medien nämlich ausdrücklich freigestellt, was sie publizieren und insofern auch, was sie nicht veröffentlichen.
Die kurze Wahrheit lautet also: Die Welt durfte das machen, sie durfte es aber auch lassen!
Das zu einem systembedingt korrekten, gar gebotenen Vorgang zu erklären, ist schlicht falsch und übrigens keine Meinungssache. Daher ist die Kritik an der Welt umgekehrt auch keine Verletzung der Meinungsfreiheit, was ohnehin ein typischer innerer Widerspruch ist. Die Kritik bewegt sich hingegen auf einer ganz anderen Ebene, nämlich der Frage journalistischer Standards. Natürlich kann man der (freien) Meinung sein, diese seien gewahrt, man kann auch der (freien) Meinung sein, diese seien überflüssig, aber man sollte das korrekt auf dieser Ebene belassen und die Aktion nicht als sakrosankten Teil der Meinungsfreiheit inszenieren.
Was besagte Standards betrifft, so teile ich die geäußerte Kritik auch in dieser Schärfe. Es gibt viele Gründe, die gegen eine Veröffentlichung dieser Meinung von Musk sprechen. Er ist einer der mächtigsten Unternehmer, Inhaber eines eigenen reichweitenstarken Meinungskanals und mit seinen Eingriffen in die Politik des eigenen Landes, die über Meinungsäußerungen durch die Wahrnehmung eines Regierungsamts bekanntlich weit hinaus geht, verletzt er Ordnungsstrukturen, die bei uns hoffentlich noch Geltung haben. Nun äußert er nichts geringeres als eine konkrete Wahlempfehlung in einem Land, in dem er keinerlei Rechte oder Mandate hat. Er begründet seine Meinung nicht näherungsweise sachgerecht und es ist auch nicht erkennbar, dass diese Meinung ansonsten kein Gehör fände, weshalb man sie veröffentlichen sollte. Auch die publizierte Gegenrede der Redaktion ist keine Rechtfertigung, denn ganz im Gegenteil liefert exakt diese genug Gründe, weshalb die kuratierende Aufgabe einer Redaktion zu dem Ergebnis kommen müsste, eben diese Meinung von Herrn Musk nicht zu veröffentlichen.
Über die Hintergründe, wie journalistische Standards im Hause Springer interpretiert und bedarfsweise auf dem Weg der Weisung durch den Vorstand geregelt sind, ist genug bekannt. Insofern darf ich im Sinne der Meinungsfreiheit empfehlen, die Publikationen dieses Hauses aufgrund einer inakzeptablen Wahrnehmung der Pressefreiheit zu ignorieren. Die Pressefreiheit legt nämlich auch nicht fest, dass alles, was frei publiziert wird, gelesen werden muss.