Das große Privileg meines Lebens ist es, aus sehr geerdeten Verhältnissen stammend, Menschen aus verschiedensten Kulturen, sogenannten Bildungs- und Einkommensschichten, Wissens- und Aufgabenfeldern kennenzulernen.
Ich kenne Multimilliardäre, die eher arme Würstchen sind und solche, die sich täglich großartige Gedanken machen, was sie mit ihren Ressourcen gestalten können. Ich kenne Spitzenmanager mit einem strategischen Talent, das keine Pommesbude lange aushalten würde und solche, die tiefe Gedanken über die Rolle ihrer Unternehmen weit über so etwas wie Branchenwissen hinaus haben. Spitzenpolitiker, die tatsächlich keine Ahnung haben und nur von Einflüsterern dominiert werden, ohne es zu merken und solche, die bestens informiert und breit beraten sind. Sehr intelligente Leute, die zugleich unfassbar eng sind und außerhalb ihrer Kernkompetenz meist über ihre Selbstüberschätzung stolpern, während die beeindruckende Intelligenz stets die ist, die dem eigenen Irrtum und den eigenen Grenzen die größte Aufmerksamkeit widmet. Hoch dekorierte Akademiker, die immer und jedem zuhören sowie solche, die irgendwann nur noch selbst reden.
Ebenso Menschen mit schwacher (Aus)Bildung und dann oft auch entsprechenden Einkommensverhältnissen, die selbst zu meinen Fachgebieten so kluge Gedanken formulieren, dass man zuerst mal länger zu kauen hat. Viele, die in ihrem Leben enormen Wert gefunden und geschaffen haben, ohne dass man es mit Geld messen könnte. Die sind es, die insbesondere den Ökonomen lehren, dass Ökonomie nur ein Tool ist, um einen kleinen Raum des Lebens zu beschreiben und viel mehr Türen zu den anderen Räumen braucht. Besonders beeindruckend sind für mich ohnehin Menschen, die eine persönliche Entwicklung geschafft haben, die – oft aus tiefen persönlichen Krisen als Anlass – von einem Weg abgekommen sind und andere finden mussten. Die unter diesen eindrucksvollsten sind solche, die mit allen Fähigkeiten, mit allem Gelernten, mit sich selbst als Persönlichkeit mal komplett am Boden lagen und sich vollständig neu finden mussten. Meine wahren und tiefsten Freunde sind solche, die über ein tiefes Scheitern das geworden sind, was sie sind.
Mit Kulturen, Herkunft, Wissen, Bildung, Fähigkeiten oder gar Geld hat das alles nichts zu tun und mit dem, was wir oft Erfolg oder Ziele nennen, auch nicht. Wir sollten aufhören, uns nach diesen Kriterien zu richten und vor allem uns nicht danach begegnen. Die Begegnung von Menschen ist viel zu essentiell für jeden, die darf nicht nach einem oberflächlichen Kriterienkatalog erfolgen, der nicht mal als Amazon-Einkaufsliste taugen würde. Dasselbe gilt übrigens auch für die Frage, ob wir gut miteinander auskommen. Es gehört leider zur Lebenserfahrung, dass es mit manchen Menschen nicht geht. Auch als Gesellschaft gehört wohl die Erkenntnis dazu, dass eine Gesellschaft mit einigen gar nicht möglich ist und damit umzugehen, scheint mir eine der kommenden Herausforderungen. Die könnte sogar größer sein, als die Frage, wie Nationen oder Kulturkreise miteinander zurechtkommen, denn das ist nichts anderes als die alles entscheidende Frage der inneren Stabilität einer Gesellschaft.
Das geniale Bild anbei zeigt sehr schön, wie das Miteinander von Menschen durch ganz unterschiedliche Beiträge einzelner aussehen kann. Es zeigt nicht, dass einige gar keinen Beitrag leisten, das würde ich dem Künstler als Verbesserungsvorschlag noch nahe legen. In diesem Sinne wünsche ich frohe Festtage.