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Es gibt nichts zynischeres als Gesundheitsökonomie

Bereits Anfang der 90er durfte ich über Projekte in der Versicherungswirtschaft erste Studien zur Gesundheitsökonomie lesen. Da wurde nüchtern analysiert, dass Vorsorge für die meisten Krebsarten unwirtschaftlich ist. Grund: Es gibt wenige Betroffene und die sterben mit geringen Therapiekosten sehr schnell. Die Vorsorge lohnt also nur für Krebsarten, bei denen bessere Überlebenschancen bestehen und längere Therapien notwendig werden. Insbesondere Brustkrebs bei Frauen, Leberkrebs, Formen von Lungenkrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs, aggressive Hirntumore (Liste verkürzt) – besser nichts machen und schnell sterben lassen.

Das ist nur die besonders zynische Ausprägung der zynischen Gesundheitsökonomie. Als ich gestern über unsere Steuerdebatten schrieb, meinten einige Leser, das sei speziell auf den Habeck-Vorschlag bezogen. Das war nicht so. Dessen Vorschlag ist nur unter allen anderen, die derzeit mal wieder auf dem Tisch liegen, einbezogen. Die einen versuchen, irgendwo noch ein paar Einnahmen zusammenzukratzen, die anderen wollen Ausgaben sparen. Beide Seiten behaupten, damit das System zu reformieren.

Das ist nicht so. Dieses System ist finanzmathematisch hirntot. Es braucht Rücklagen, schon lange. Die ungedeckte Hypothek wächst immer weiter. Im Gesundheitswesen ist vollkommen klar, was passieren muss, wenn es nicht rasch zu einer wirklichen Reform kommt. Man wird ein paar Einnahmen zusammenkratzen, man wird dabei immer weniger finden, man wird ein paar Ineffizienzen finden, davon wird es auch immer weniger geben und daher muss man eine Form des „Sparens“ umsetzen, die keine ist, man muss nämlich Leistungen abschaffen. Das passiert schon, indem ganz systematisch die hier überwiegend gesetzlich geregelten Preise für immer mehr Leistungen so runter gesetzt werden, dass sie niemand mehr wirtschaftlich anbieten kann. Das ist ganz einfach, es ist still, es ist leise, Bild schreibt nicht darüber.

So werden wir in Zukunft gegen unsere Rückenschmerzen ein paar billige Schmerzmittel futtern. Therapien dagegen sind zu teuer. Ob die 90er Studien, von denen ich hier nur ausschnittsweise zitierte, umgesetzt werden, wird sich gar nicht verhindern lassen. Wohin das in der Spitze führt, sehen wir in UK, da ist das System nun auch operativ tot. Briten, die es bezahlen können, reisen in die EU, um sich behandeln zu lassen, da es sogar für gutes Geld dort viele Leistungen gar nicht mehr gibt. Wer es sich nicht leisten kann, leidet oder stirbt – und auch das wird immer billiger „gestaltet“.

Es gibt nichts zynischeres als Gesundheitsökonomie. Die nur geringfügig weniger zynische Schwester ist die Rentenökonomie. Die finden übrigens zusammen, denn je schlechter die Gesundheitsversorgung im Alter, desto ökonomischer ist das für beide Systeme.

Eine weniger zynische Lösung ist auch im vorliegenden Wahlkampf nicht auf dem Tisch, von niemandem.

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