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Wir sehen in den USA nichts geringeres als die Kriterien einer Kapitalflucht, einer beginnenden Finanzkrise und einer bereits begonnen Wirtschaftskrise

Inzwischen finde ich es amüsant, dass es immer noch tapfere Trump-Fans gibt, die aus den jüngsten Turbulenzen etwas geniales zu entnehmen glauben. Führend in dieser Ökonomiemärchenstunde ist derzeit der fallende Dollar, der sei ja Absicht und werde die Exporte ankurbeln. Außerdem müssten jetzt die Zinssenkungen kommen, das sei der nächste Schritt des genialen Plans. Wegen der Staatsschulden und so.

Kann man wirklich nur noch mit Humor – und beginnendem Mitleid – zur Kenntnis nehmen!

Die USA haben zwei Privilegien: Nahezu unbegrenzte Kreditaufnahmefähigkeit und den Nachweis, aus Kredit „unterm Strich“ Mehrwert zu erzeugen. Diese Privilegien basieren auf der Rolle des Dollars als Reserve sowie dem Vertrauen, dass man mit Investments in US-Assets „unterm Strich“ jeden Sturm und jede Krise bewältigt.

Dieser Präsident räumt genau diese Kernkompetenzen des US-Systems gleichzeitig ab. Freiwillig, ohne Zwang, ohne äußeren Einfluss. Das ist das mit Abstand dümmste Finanz- und Wirtschaftsgebaren – ich will nicht „Politik“ dazu sagen – der US-Wirtschaftsgeschichte. Es ist auch deshalb noch weit dümmer als frühere massive Fehler – ironischerweise übrigens bei Experimenten mit Zöllen – weil es nahezu jedes bessere Anfängerwissen schlicht ignoriert.

Weshalb die tatsächlich so handeln, kann nur weiter Spekulation sein. Das interessiert aber immer weniger, wie ich schon länger behaupte, denn die tatsächliche Wirkung der Handlungen wird immer relevanter. Was die ausgelöst haben, ist nichts anderes als eine Kapitalflucht. Auch das hatte ich bereits beschrieben, die vielen toxischen Signale an den Kapitalmärkten, die in dieser Kombination wegen des US-Modells so gar nicht vorkommen dürfen, hat der lesenswerte Noah Smith für jeden, dem meine Zusammenfassung zu kurz ist, sehr leicht verständlich erklärt. Link anbei.

Was ich ergänzen möchte, denn auch das geht in der Öffentlichkeit wegen unserer anämischen Wirtschaftsmedien unter: Die USA haben keineswegs ihre Schulden bei „den Chinesen“, die das alles jetzt auslösen. Das sind wirre Thesen, die einen Prozess übersehen, der bereits mit der Finanzkrise einsetzte. Die Schulden der USA sind nicht mehr als „Auslandsschulden“ zu bezeichnen, sondern massiv umgeschichtet worden, es sind nun zu mehr als 70% Inlandsschulden und die sind übrigens seit knapp zwei Jahren unter der sehr klugen Janet Yellen von der Notenbank an inländische Institutionen und Altersvorsorgeeinrichtungen gewandert.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Behauptung, „die Ausländer“ würden den USA die Kredite kündigen, so nicht richtig ist. Diese massive Bewegung an den Kapital- und Devisenmärkten wird sehr wahrscheinlich von der Breite aller Anleger erzeugt und das heißt: Die Amerikaner selbst leihen ihrem Präsidenten kein Geld mehr und mehr noch, sie schaffen das ins Ausland. Es gibt übrigens viele weitere Indikatoren, von den Investitionsneigungen inländischer Unternehmen bis zum Verbrauchervertrauen, die ebenfalls schockartig zurücklaufen. Insofern bitte nicht die nächsten dummen Kommentare, dieser geniale Plan führe zu mehr Auslandsinvestments in den USA. Trump hat auf allen Ebenen ein Desinvestmentprogramm ausgelöst und steht nun vor der Aufgabe, das Schreddern seiner Inlandsdollars zuerst mal zu stoppen!

Dieser Präsident lügt bekanntlich, aber er kann die Kapitalmärkte nicht belügen und wenn es ums Geld geht offensichtlich auch die eigenen Leute nicht mehr.

Das erfüllt derzeit die Kriterien einer Kapitalflucht, einer beginnenden Finanzkrise und einer bereits begonnen Wirtschaftskrise. Dass die Notenbank nun ein Aufkaufprogramm für langfristige Staatsanleihen auflegen muss, um die Zinsmärkte in den Griff zu bekommen, ist unvermeidlich. Sie muss auch diesen freien Fall des Dollars und die Kapitalflucht in den Griff bekommen, das wird in der Kombination heikel, denn mit niedrigen Zinsen geht genau das halt nicht! Zudem wird ohne klare öffentliche Bekenntnisse von Trump, nichts anderes als einen glaubhaften Politikwechsel zu vollziehen, alles zur Makulatur. Wird er das tun? Wir er das mindestens durch Personalwechsel hinterlegen, also Entlassungen dieser Vollversager und Dummschwätzer? Positionierung von Profis, die er dann auch arbeiten lässt? Wird seine Partei als demokratisches Kontrollorgan den Parlamenten wieder deren Funktion geben?

Ein Bündel solcher Maßnahmen wäre notwendig und die Zeit, so etwas aufzulegen, läuft mit jedem Börsentag ab. Momentan sehen wir ein De-Listing von US-Assets jeder Art. Das kann noch gestoppt werden.

Was Trump auch ausgelöst hat, ist ein De-Listung von US-Lieferketten. Das kann sehr wahrscheinlich nicht mehr gestoppt werden, es wird nur sehr lange unsichtbar bleiben, denn das dauert Dekaden.

Der Komplettschaden dieser Präsidentschaft wird erst feststellbar sein, wenn die dafür Verantwortlichen den biologischen Weg gegangen sind, der ihnen leider zusteht. Das ist leider ein Schaden, dem kein Gewinn gegenübersteht. Niemand sollte sich darüber freuen. Trotzdem wird es wie bei jeder Krise auch Chancen geben. Für Europa sind die Bedingungen leider schlechter als für viele andere. Wir sollten ehrlich sein und nicht erwarten, aus diesem Desaster einen Gewinn erzeugen zu können. Es geht um die Minimierung des Schadens und um eine strategische Neuaufstellung, deren Vorteile sich langfristig auszahlen.

Das kann nur gelingen, wenn dieser kurzfristige Opportunismus und dieses dumme „Spardenken“ enden. Man erzeugt keinen Mehrwert, indem man weniger Mittel einsetzt, man kann eine Krise nicht wegsparen und manchmal liegt die optimale Rendite darin, den Schaden zu minimieren. Leider rüttelt das an den Grundfesten unserer merkwürdigen Vorstellungen von Ökonomie.

Die USA haben ein intellektuelles Problem, das Trump nicht besser personifizieren könnte. Wir Europäer sollten unsere intellektuellen Probleme nun mal anfassen. Wir müssen in Europa investieren und das als strategisches Ziel definieren, nicht als unterkomplexe Kosten/Nutzen-Optimierung. Wer komplexe Ziele durch unterkomplexe ersetzt, weil er noch unterkomplexere Methoden bevorzugt, wird gar kein Ziel erreichen.



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