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Wirtschaft ist kein Nullsummenspiel und auch keine Wegnehmwirtschaft – es geht schon immer um die Schaffung von Mehrwert durch Kooperation

Ist eine Volkswirtschaft ein geschlossenes System, in das genau so viel hinein wie herausfließen muss, damit es gesund ist? Bedeutet irgendein Defizit oder Überschuss eine Störung? Gewinnt in der Wirtschaft einer nur, indem er einem anderen etwas wegnimmt? Leben wir also in einer Wegnehmwirtschaft?

Nein! Diese merkwürdigen Perspektiven werden derzeit von Stammtischökonomen massenweise vertreten und ich mache mir deshalb hier die Mühe, Wirtschaft mal auf dem Level einer Grundschule aufzulösen:
In der Volkswirtschaft „Brot“ leben ein Bauer, ein Müller und ein Bäcker. Der eine liefert Weizen, der zweite produziert daraus Mehl, der dritte das Brot, welches alle versorgt. Das nennt sich Wertschöpfungskette, der dabei gemeinsam (sic!) produzierte Mehrwert lautet Brot, welches alle ernährt. Der Sinn der Wirtschaft ist die Versorgung aller mit Brot, welches keiner alleine herstellen kann. Hier entsteht der Wert also nur durch Kooperation in dieser Kette, es wird gemeinsam erst etwas erwirtschaftet, was zuvor nicht da ist und auch nicht erlangt werden kann, indem einer einem anderen etwas wegnimmt.

Nebenbei: Bereits dieses System ist voller Vorleistungen, was für Wertschöpfungsketten logisch ist. Wenn man das mit einem Geldsystem organisiert, steckt darin nichts anderes als Schulden, welche also essentielle Basis für jede Wertschöpfung sind. Ohne Schulden keine Wertschöpfung, ohne Wertschöpfung keine Wirtschaft. Alles, was sich Sparen nennt, wird erst danach möglich und ist keineswegs der Beginn oder Voraussetzung für wirtschaftliche Aktivität.

Aber zurück zur Brotwirtschaft. Deren Problem: Sie hat keinen Dünger, keine Mahlwerke für Mühlen und keinen Brennstoff für den Backofen. Daher ist Volkswirtschaft zwei, „Grundversorgung“ notwendig. Hier leben ein Waldbesitzer, der Brennholz produziert, ein Moorbesitzer, der Torf gewinnt und ein schlauer Mechaniker, der Mahlwerke bauen und reparieren kann. Die drei beliefern den Bauern, Müller und Bäcker in der Brotwirtschaft, wofür sie deren Brot erhalten.

Die Brotwirtschaft hat ein Handelsbilanzdefizit, die andere einen Überschuss, dauerhaft. Das Brot ist unfair verteilt, der schlaue Mechaniker erzielt das meiste und arbeitet dafür nur ein paar Tage pro Jahr, der Waldbesitzer muss täglich schuften, weil sein Wald nur mit viel Arbeitskraft nutzbares Brennholz liefert. Wirtschaft ist nicht fair. Sie muss auch nicht stabil sein, denn als der Mechaniker so satt war, dass er die paar Tage auch noch am Strand in der Sonne verbrachte, ist nach und nach die gesamte große Wertschöpfungskette zusammengebrochen.
Daher haben beide Volkswirtschaften Wettbewerb organisiert und mehrere Bauern, Müller, Bäcker, Wald- und Moorbesitzer sowie Mechaniker ins Leben gerufen, damit die sich gegenseitig etwas wegnehmen, wenn ein anderer zu faul wurde. Außerdem wurde die Sache mit der Brotverteilung so organisiert, dass bei drei verteilten Broten eines an diejenigen abgegeben werden musste, die zu wenig hatten, denn es sollte auch keiner aus der Wertschöpfung ausscheiden, weil er hungern muss.

Wer das für ein idealisiertes Märchen hält, dem sei versichert, dass genau diese Konzepte bis heute essentieller Treiber jeder Wirtschaft sind. Dass dabei jede Menge Unfug statt Brot produziert wird, die natürlichen Ressourcen verbraucht oder zerstört werden sowie in Komplexität und Größe weder effektiv, noch effizient oder gar einigermaßen „fair“ verteilt wird, ändert daran nichts.

Leider verwechseln inzwischen viele die Sache mit dem Wettbewerb mit dem Konzept der Volks- oder gar Weltwirtschaft, was übrigens auch Unternehmen nicht gut tut, denn die wirklich erfolgreichen sind wie der erste Mechaniker: Die nehmen keinem etwas weg, sondern schaffen etwas neues, was Wertschöpfungsketten besonders effektiv voranbringt.

Als Ökonom, der ganz bewusst ein sehr breites Theorie- und Meinungsspektrum zulässt, sei abschließend auf die heutige Welt übertragen erwähnt: Handels- und Leistungsbilanzen sind nicht egal, sie können im Gegenteil sehr unterschiedliche Ursachen mit ebenso unterschiedlichen Vor- und Nachteilen haben. Dasselbe gilt für Schuldenstände, Währungssysteme sowie deren Interaktion, also die im heutigen Welthandel entstehenden Zahlungsbilanzen.

Wenn aber jemand behauptet, solche hoch aggregierten Daten hätten eindeutig und kurz formuliert diese oder jene Bedeutung, gar gesamtökonomische Folge, so kann ich jedem nur empfehlen: Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu erfahren.

Bezogen auf die Handelsbilanz der USA behaupte ich, dass das eine sehr kluge Renditeoptimierung der US-Wirtschaft ist und der effizienteste Weg für die Erfüllung der US-Konsumneigung. Diese Zollkriege werden nun zunächst bis auf Corona-Niveau globale Lieferketten erschüttern. Die Folgen, derzeit noch auf dem Level Risiken, kennen wir, die lauten Inflation und Rezession, leider global. Was bereits mittelfristig daraus erwächst, weiß niemand.

Alleine das sagt bereits genug über die Frage, wie maximal unverantwortlich das ist. Aber selbst das will nicht Konsens werden, denn zu viele sind von der Überlegung infiziert, Wirtschaft sei die Optimierung von Straßenraub. Einer davon sitzt momentan wohl im Weißen Haus. Niemand sollte auch nur Teile dieser dystopischen und übrigens langfristig ohne jeden Zweifel scheiternde Denkweise annehmen.

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