Als Google YouTube für einen heutigen Quartalgewinn kaufte und viele sich über den verrückten Preis aufregten, durfte ich auf den Medientagen und anderen Bühnen dazu vortragen. Meine Thesen und die sehr weniger anderer damals:
– YouTube wird der führende und erste global aufgestellte Fernsehkanal mit den agilsten Formaten und dem besten Geschäftsmodell. Der Kaufpreis dafür ist real lächerlich.
– Nonlineares Fernsehen wird das lineare verdrängen. Netflix gab es damals noch nicht, trotzdem hatten alle besser Informierten das eigentlich bereits beschrieben.
– Die klassischen Geschäftsmodelle im Fernsehbusiness sind nicht mehr nachhaltig. Das Konzept, über ein paar Blockbuster viele Millionen gleichzeitig vor die Glotze zu holen, um an der Stelle für Bierwerbung beliebige Preise aufzurufen, geht seinem Ende entgegen.
– Der demokratische Auftrag des ÖR und die zentrale Rolle in unserer Öffentlichkeit werden erodieren, wenn dieser Sektor sich nicht rasch an die Spitze dieser Veränderung setzt.
Heute ist das Fakt!
Das ist jetzt fast 20 Jahre her. Es folgten bald keine Einladungen mehr. Man sagte den wenigen Digitalisierungsexperten in der Branche offen, dass solche Veranstaltungen auch einen Marketing-Charakter hätten und der dürfe nicht zu sehr gestört werden.
Inzwischen ist viel mehr als die Nonlinearisierung passiert. Was wir vor 20 Jahren nicht ahnten, war die Rolle von Algorithmen auf den Plattformen, die soziale Gruppeneffekte und Echokammern erzeugen. Die Like-Ökonomie als emotionaler Verstärker, die Wucht von Kommentarschlachten, Trolle, Bots.
Das ist nun Geschichte, die Gegenwart ist bereits KI als Beschleuniger. Hinzu kommt, an den Daten ersichtlich, dass es eine dichotome Informationskultur gibt: Der Rezipient von heute will es entweder richtig kurz, am besten Fastfood von 30 Sekunden, er will es auch immer visueller oder bei Interesse dann gerne besonders tief, dann kann es auch Filmformat haben.
Genau diese Formate liefern die Fernsehsender und übrigens auch Zeitungs- und Zeitschriftenformate nicht, inklusive der gesamten Redaktionsleistung. Die haben sich nämlich genau da positioniert, wo kein Interesse mehr besteht: Über mittellange Beiträge einen Kompromiss zwischen schneller Info und ertragbarer Tiefe, was klar gesagt bedeutet: Sie erfüllen beides nicht mehr!
Insofern sind seit 20 Jahren die Probleme des etablierten Mediensektors eigentlich trotz aller Erkenntnisse nur größer geworden.
Aber das will auch heute keiner hören. Was ich an meiner Uni zu realen Projekten aus dem Mediensektor mitbekomme, lässt meine Zehen einfrieren. Das ist intellektuell nicht weiter als vor 20 Jahren, der Sektor hat so gut wie gar nichts verstanden.