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Typische Bierdeckelparolen ändern an systemischen Problemen gar nichts

Die Sachlage ist seit den 1980ern vollkommen klar und seitdem von Finanzmathematikern ausreichend dokumentiert: Das umlagebasierte gesetzliche Sozialversicherungssystem entspricht nicht den Anforderungen einer alternden Gesellschaft. Punkt.

Zwischenstand 2025: Das sogenannte Sozialbudget beträgt 2025 vermutlich erstmals um die 1,5 Billionen Euro. Das ist der dreifache Bundeshaushalt, über den gerade mal wieder so dümmlich gestritten wird, wie das leider üblich geworden ist. Der größte Posten sind die Renten, der ebenfalls größer werdende ist der Gesundheitssektor. Auch im Bundeshaushalt dominieren diese Posten. Thematisiert aber keiner, denn das sind – so ist das in einem Umlagesystem – Leistungen von der Mehrheit der Bevölkerung für die Mehrheit.

Der politische Umgang mit der Mathematik ist seit Jahrzehnten identisch. Das System wird entweder für sicher erklärt oder man sucht sich irgendwelche Randgruppen, die es angeblich gerade mal wieder überfordern. Übliche Verdächtige sind Bürgergeld (3 bis 4%) oder in dem Billionentopf nicht mehr messbare Gruppen wie Flüchtlinge, was Frau Weidel nicht abhält, wahlweise Syrer oder Ukrainer noch genauer als Ursache identifizieren zu wollen.

Wahnsinnig originell sind irgendwelche Empörungsbeiträge, die irgendwelchen dieser Geldwerte mal wieder neue Höchststände attestieren. Das ist fachlich genauso wertvoll wie die Feststellung, dass es mal wieder 12 Uhr Mittags ist. Diese Werte werden wie alle weiter steigen, neue Höchstwerte erzeugen – und diese hier werden leider auch schneller wachsen als die meisten anderen. DAS ist nämlich das große Problem. Daran werden auch die jeweiligen linken oder rechten, grünen, roten, schwarzen, gelben, blauen Politsprechblasen nichts ändern.

Ebenfalls nichts ändern wird sich daran, dass Politiker mit knallharten Bierdeckelparolen irgendwas fordern, wofür sie dann auch noch gefeiert werden. So die dafür nicht zuständige Ministerin Reiche, die vorliegend dem System den lange bekannten demografischen Notstand einmal mehr attestiert. Fein. Sie fordert aber keine Reform, sondern will das System fortsetzen, indem sie denjenigen, die es in den letzten 30 Jahren maßgeblich finanziert haben, die dafür gesetzlich versprochene Gegenleistung verweigert. Die hier zitierte Aussage ist sogar besonders zynisch, denn selbstverständlich kann man in rücklagenbasierten Systemen überall auf der Welt ein Drittel des Erwachsenenlebens im Ruhestand verbringen.

Das deutsche System braucht mehr als jedes andere Produktivitätswachstum und daraus generiertes Wirtschaftswachstum. Das geht nur über global relevante Innovationen und eben nicht durch mehr Arbeitsleistung, sondern durch mehr Output pro Arbeitsstunde. Außerdem muss die Refinanzierung vom Faktor Arbeit unabhängiger werden, weil der durch Digitalisierung und KI sogar multipel erodiert. Statt dessen werden einfach nur gern gehörte Parolen verbreitet, die aber bereits das Thema verfehlen. Ferner braucht Deutschland eine Reform auf ein rücklagenbasiertes Vorsorgemodell, was global übrigens das dominierende ist.

Beides, also Innovationen wie auch eine solche schrittweise Reform auf Rücklagen brauchen Kapital. Das aber ist im Kapitalismus nichts anderes als Kredit auf der Seite der Gegenbuchung – oder bei uns auch Schulden genannt. Kapitalismus ohne Kapital mit einem Umlagesystem in einer alternden Gesellschaft ist leider ungefähr so vielversprechend wie die Umschulung von Milchkühen auf Kernphysik.

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