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Eine prohibitive Energieplanung ist Hochverrat der Zukunft einer Industrienation in einer Welt, die nach der Digitalisierung die Elektrifizierung entdeckt hat

Zu meinem gestrigen Beitrag zur Revision der Energiepolitik durch das Ministerium Reiche gab es teilweise die erwartbaren Reaktionen: Es sei technisch notwendig, den EE-Ausbau zu bremsen und parallel Gaskraftwerke zuzubauen (Netzstabilität). Ferner sei es ökonomisch richtig, die Planung an „realistische Szenarien“ anzupassen, damit das nicht „zu teuer“ wird. Die „Kosten“ seien ja in der Vergangenheit auch aus dem Ruder gelaufen. Begriffe wie „Investment Bubble“, „Investitionsruinen“, „Überkapazitäten“ etc. kamen.

Mich stimmt das traurig, zumal es oft von Leuten kam, deren Bildung und Intelligenz ich voraussetzen kann.

Ich fasse das mal etwas anders zusammen: Das schärfste Schwert in einem Energiemarkt ist dessen Infrastruktur. Wer die beherrscht, diktiert alles. Man kann die offensiv ausbauen oder prohibitiv klein halten. In Deutschland praktiziert ein Kartell aus gemeinsamen politischen und (wenigen) unternehmerischen Interesse letzteres. Nun kommt es gar so weit, dass im Rahmen einer globalen Energiewende zur Elektrifizierung, das alles dominierende industrielle Thema der Zukunft, eine Regierung antritt und sagt: Da die Infrastruktur nicht mehr hergibt, müssen wir auf die Bremse treten. Sie begründet dies mit Angstthemen über Netzstabilität und behauptet, das sei eine ökonomisch seriöse Vorgehensweise.

Und das findet dann auch noch Zustimmung in Kreisen, die behaupten, ökonomisch zu denken und von der Politik ein besseres ökonomisches Programm erwarten.

Das stimmt mich nicht nur traurig, es ist traurig!

Während in Deutschland ökonomisch suizidale antikapitalistische Denkmuster von irgendwelchen „Sparmodellen“ dominieren, die mit den o.g. Begriffen um sich werfen, gibt es gerade bei Energieinfrastrukturen in der Fachliteratur einen breiten Konsens, dass diese essentiell für eine Ökonomie ist und dass explizit eine VORLAUFENDE Planung ganz überwiegend von den Energiepreisen bis zu ökonomischen Folgeeffekten sehr erfolgreich ist. Auch empirische Studien über konkrete Projekte belegen, dass die positiven Folgeeffekte bei weitem überwiegen, während die sogenannten „Investitionsruinen“ eher selten und in spezifischen Fehlern der Projekte begründet sind.

Ich hatte gestern die Begriff „Underinvestment“ und „Undercapacity“ empfohlen. Hat viele nicht interessiert und nicht abgehalten, von irgendwelchen Bubbles zu faseln. Als ob gerade Deutschland Angst vor zu hohen Investments und dann ausgerechnet auch noch in Energieinfrastrukturen haben müsste. Was lesen diese Leute so, was ist deren Informationslage??

Ich konkretisiere meine Rechercheempfehlungen heute (mit exemplarischen Quellen): Anticipatory infrastructure investment, Proactive grid expansion / proactive infrastructure planning, Build-ahead transmission, No-regrets / option value investments, strategic reserve capacity oder overbuilding for resilience.

Extraservice – Quellenauswahl:
– IEA (2016, 2023): World Energy Investment Reports → Kapitel zu Transmission/Distribution, explizit „anticipatory investments“
– Joskow (2012): Transmission Capacity Expansion (Energy Policy) –> diskutiert ökonomische Rationalität von build-ahead
– Cochran et al. (NREL, 2014): Flexibility in 21st Century Power Systems → „proactive transmission“ als zentrale Voraussetzung
– ENTSO-E TYNDP (Ten-Year Network Development Plan): Methodik zu no-regrets investments in Netzen (EU-Ebene)
– Kline & Moretti (2014): TVA – Vorlaufender Ausbau von Kraftwerken + Netzen, löste regionales Wachstum aus
– Lewis & Severnini (2017): Rural Electrification US – Vorlaufende Stromversorgung kleiner Gemeinden führte zu langfristigen Strukturveränderungen
– World Bank (2018): Maximizing Finance for Development in Infrastructure – beschreibt anticipatory investment als Mittel, private Investitionen auszulösen
– Rein exemplarisch CREZ-Projekt mit Chart anbei: Preiskonvergenz und Preisdegression durch vorlaufenden Netzausbau in windreiche Regionen – Achtung, anschnallen: Texas.

Das ist auch in Deutschland durchaus bekannt, weshalb es den Mechanismus der „vorlaufenden Netzplanung“ als Aufgabe für das Ministerium sowie die Netzagentur und die meisten Netzbetreiber sogar gibt. Die immer wieder spannende Frage ist aber, wie diese Aufgabe konkret umgesetzt wird.

Vorliegend nenne ich das erneut prohibitiv – und das ist nichts anderes als ein Hochverrat unserer Zukunft als Industrienation in einer Welt, die nach der Digitalisierung die Elektrifizierung entdeckt hat!

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