Die PK zum „Drohnenwall“ von EU-Verteidigungsindustriekommissar Kubilius konnte ich gestern Abend nur kurz kommentieren und es folgten teilweise dieselben Reaktionen: Gepard, Skyranger & Co lösen das, es ist doch gut, dass jetzt was passiert, man muss nur bestellen, was im Regal ist. Parallel Mengen an PR-Material der einen oder anderen Rüstungsschmiede mit Politikern. Teilweise Konzepte wie Skyranger, Laser etc. oder Hightech-Drohnen für ein paar 100k€ pro Stück. KI-basiert ist das inzwischen alles, an dem Label geht keiner mehr vorbei.
Hier ein paar Thesen und Fragen als Alternativvorschlag zum Nachdenken.
– Was Kubilius äußerte – und hoffentlich besser weiß! – ist eine Mischung aus Hilf- und Ahnungslosigkeit. Er räumte sogar ein, dass man derzeit viele dieser Drohnen gar nicht orten kann, die „sieht“ man tatsächlich erst dann, wenn man sie wahrlich sieht. Zuletzt über dänischen Flughäfen, irgendwie „unschön“ – oder?
Was er von „Wall“, „Abwehr“, „Verfolgung“ etc. äußerte ist hoffentlich seinerseits nur Politik-Marketing, denn das ist real – sorry – dummes Zeug!
– In nicht wenigen Fachveranstaltungen erlebe ich auch jüngst noch Debatten, die aus der Zeit gefallen sind. Der Mensch als Letztentscheider für Waffeneinsatz, keine Drohnen, die Menschen identifizieren, zu welchem Zweck auch immer etc. Das sind alles Forderungen, die ich sehr sympathisch finde, die aber eine Kleinigkeit ausblenden: Was ist unsere Antwort auf mehrere Parteien weltweit, die genau an solchen Killer- und auch Killerabwehrmaschinen arbeiten? Was so ganz genau soll ein Mensch in einem KI-Krieg hoch automatisierter Angriffs- und Abwehrsysteme als „Letztentscheider“ so ungefähr in so etwa Realzeit „entscheiden“?
– Wollen wir tatsächlich zuerst mal ans Grundsätzliche und unsere vielen Regulierungswerke neu justieren oder uns besser um Drohnen kümmern, die „plötzlich“, „überraschend“ und „konnte keiner wissen“ über unseren Flughäfen dann doch mal „gesehen“ werden?
– Wer Skyranger&Co, die sogar laut Aussagen der Hersteller Nahverteidigungssysteme sind, zur Verteidigung von Grenzen oder des Luftraums im Sinn hat, sollte bei diesen 2-4 km weit reichenden Systemen bitte auch Vorschläge liefern, wie man die entlang von Regionen nebeneinander und in mindestens vier Ebenen übereinander stapelt. Bevorzugt so, dass die außer Drohnen nicht zufällig alles weitere abräumen.
– Hier ist eine komplett neue Klasse von Angriffs- und Abwehrdrohnen entstanden ist, die mittels KI-Steuerung immer agiler in Schwarmtaktiken operieren und die mit simpelstem Material hoch skalierbar produziert werden. Das ist durchaus Hightech, aber es ist etwas ganz anderes, als diese Hochglanzprodukte unserer Rüstungsindustrie. Dahinter steht vor allem hoch automatisierte und in sehr kleinen Einheiten verteilbare Produktion. Die Folge sind andere taktische Möglichkeiten, für die man diese und alle anderen Systeme nun entsprechend einsetzen muss. Dahinter steht also von einer anderen Logistik bis zu einer geänderten Taktik sehr vieles.
– Vor allem Drohnenschwarmtaktik wird damit immer relevanter. Für alle Aufgaben, Angriff, Aufklärung, Gegenangriff, Abwehr, an der Frontlinie, entlang von Logistik, zum Schutz von Infrastruktur und Städten. Dabei gilt: Der Angreifer hat hier leider natürliche Vorteile, die nicht vollständig kompensierbar sind. Eine Abwehr gegen Drohnenschwärme ist nicht möglich, was Kubilius hier skizziert, wird es nicht geben.
– Das macht andere Waffensysteme nicht obsolet, diese Diskussion ist interessengetrieben. Das Drohnensegment dominiert aber, alle anderen Systeme ordnen sich in dessen Arbeitsweise ein, was genauso wichtig ist. Die taktische Änderung, das sage ich ohne jede Freude, ist aber, dass so eine Abwehr, wie hier behauptet, gar nicht möglich ist. Russen und Ukrainer schaffen derzeit so etwas wie eine Balance gegenseitiger Schäden. Über die Treffer der Ukrainer auf die russische Infrastruktur und Frontlinie wird nur weniger berichtet. Das ist ein Drohnenkrieg und der ist leider ein Angriffs- und Verteidigungskrieg zugleich. Die Konsequenz ist also, sich vorzubereiten, dass man den eigenen Luftraum nicht mehr vollständig verteidigen kann und dass man im Kriegsfall den des Gegners genauso angreifen muss. Wer das nicht konsequent macht, verliert sein Abschreckungspotenzial. Dann ist man nämlich tatsächlich gegen diese Drohnenangriffe ohnmächtig.
Die Konsequenz ist also mehr als irgendwelche neuen Waffentechnologien, es ist eine taktische und strategische Änderung: Reine Abwehr ist nicht möglich, Abschreckung ist die Kombination aus wirksamer Abwehr plus ebenso wirksamer Angriffstechnologie. Dabei wird der Angriff immer überlegen sein, weil es einen vollständigen Schutz nicht gibt. Deshalb hatte ich kürzlich den Vergleich mit den Atomwaffen gezogen.
Brandgefährlich ist dabei, dass ein Drohnenkrieg weit unter der Schwelle der gegenseitigen Totalvernichtung geführt werden kann. Auch das werden wir leider zunehmend sehen, von der Ukraine über Israel bis zu den Huthi – denn selbstverständlich sind das auch bestens geeignete Terrorwaffen.
Die Europäer brauchen viel mehr als Gerede über Drohnenwälle, Grundsatzdebatten oder ein paar Hightech-Drohnen für sehr singuläre Einsatzzwecke!