Kriege erzeugen technologische Innovationen. Das betrifft aktuell den Drohnen-Sektor, dessen Evolution ich seit vielen Jahren begleite. Ohne jede Freude muss ich feststellen, dass besagte Innovation seit zwei Jahren fast schon monatlich spürbar ist. Leider kommen viele in Politik, aber auch Industrie nicht hinterher.
Die dahinter stehende Evolution heißt nämlich nicht Drohne, sondern Robotik und KI. Wer sich die ganz großen geopolitischen und geoökonomischen Themen zwischen den USA und China ansieht, vom „Chip-Krieg“ bis zum „Wettrüsten“ der KI-Modelle mit ihren Monster-Rechenkapazitäten, kann nicht überrascht sein, die daraus resultierenden Ausprägungen auch in einem aktuellen Krieg mit allen Großmächten am Tisch vorzufinden.
Ein kurzer Einblick: United24 hat mit dem Titel „Drohnenwall“ visualisiert, wie das auf der Abwehrseite gegen Drohnen (noch) funktioniert. Erkennung, elektronische Störung, Kampfflugzeuge, Luftabwehrsysteme, Abfangdrohnen und Nahverteidigung. Das ist bereits eine Transformation, denn insbesondere Kampfflugzeuge und komplexe Luftabwehrsysteme sind rein mengenmäßig schnell überfordert, zu teuer und auch nicht agil genug. Das stammt aus der „alten Welt“, als Patriots gegen Scut-Raketen entwickelt wurden.
Man sieht aber bereits hier, dass der Begriff „Drohnenwall“ etwas suggeriert, was es nicht gibt, nämlich einen geografischen Schutz an welcher Grenze auch immer. Es ist vielmehr ein mehrstufiges Abwehrsystem bis zum Nahbereich. Aber es ist leider zunehmend Geschichte! Ich bin sehr irritiert, wie oft ich in den letzten Monaten mit der Überzeugung von Industrie-Marketing lesen musste, dass wahlweise die elektronische Störung oder die Nahverteidigung mit Lasern, Streumunition oder „KI-Schnellfeuerkanonen“ diese dummen Drohnen alle vom Himmel hole.
Die aktuelle Wirklichkeit hat die FT in einer erschütternden Statistik zusammengefasst: Während der Drohneneinsatz durch Russland eskaliert, wobei man beachte, dass die in der Tat mehrheitlich „verbraucht“ werden, nehmen die dadurch geschaffenen Lücken für „klassische Raketen“ zu. Das hat Zusammenhänge, denn die Drohnen haben auch die Aufgabe, diesen sogenannten „Wall“ zu überlasten und Lücken zu schaffen.
Das ist aber nur eine vorübergehende Feststellung, denn die Drohnentechnologie ist bereits weiter. So sind insbesondere die beiden ersten Ebenen des „Walls“, Erkennung und Störung, überwiegend darauf angewiesen, dass die Drohnen für Navigation und Steuerung eine Kommunikation benötigen: Positionen via Satellit oder D-Netz, Kontakt zu Drohnenpiloten oder anderen zentralen Steuerungssystemen etc. An der Stelle kann man Drohnen orten und auch auf verschiedene Arten stören.
Wie empfindlich die Abwehr reagiert, wenn eine Drohne keine Außensignale mehr braucht, ist bereits an einer sehr simplen Erfindung zu erkennen: Glasfaser-Drohnen. Diese Systeme werden tatsächlich durch sehr feine und leichte Glasfaserkabel gesteuert, die keine Signale nach außen geben und auch nicht störbar sind. Wer nun glaubt, das sei regional begrenzt: Die letzten Berichte zeigen, dass diese Drohnen plötzlich und unerkannt 50km hinter der Front über ukrainischen Städten auftauchen. Die Sache mit der Glasfasersteuerung ist natürlich trotzdem begrenzt, aber ein Warnsignal, denn die aktuellste Technologie ist KI-gesteuert und das heißt: Diese Drohnen agieren ebenfalls ohne jede Außenkommunikation und auch ohne so ein begrenzendes Kabel.
Es gibt genau zwei zentrale Anforderungen, die in Europa außer der Ukraine selbst bisher kaum erkennbar angekommen sind: Erstens geht es um die dezentrale und hoch skalierbare Produktion bestimmter Drohnen als „Verbrauchsmaterial“. Zweitens ist ein KI-Wettrüsten um die Automatisierung des Kriegs entstanden, das nicht nur, aber strategisch wohl primär bei den Drohnen stattfindet. Die nächsten Generationen dieser Systeme werden die heutige Abwehrarchitektur zunehmend überwinden, von der Erkennung bis zur naiven Idee, man könne diese in Schwärmen und mit sehr intelligenten Flugmanövern agierenden Systeme „klassisch“ vom „Himmel“ holen.
Beide Anforderungen, automatisierte Produktion und KI- Schwarmdrohnen ohne zentrale Steuerung (!) sind technologisch tatsächlich Anwendungsfelder der Robotik. Daher verstehen leider auch viele Experten das Thema falsch, denn mit der Technologie von Luftfahrtsystemen sowie Raketen oder deren Abwehr hat das alles nur noch sehr wenig zu tun.
Die Sache ist tatsächlich sehr ernst, denn viele Diskussionen über Drohnen und einen „Drohnenwall“ legen nah, dass wir nicht nur enormen Rückstand haben, sondern zudem Gefahr laufen, unsere Ressourcen nun auch noch auf ein Konzept zu fokussieren, das gerade dabei ist, ebenfalls aus der Zeit zu fallen.
Ich wiederhole meine Thesen: Dieser Wettbewerb wird durch KI entschieden und zwar entlang der Fähigkeiten, solche Systeme komplett autonom zu machen. Das muss sowohl für die Abwehr- wie für die Angriffsseite umgesetzt werden, denn der Angreifer hat natürliche Vorteile. Ein „Drohnenwall“ ist daher nicht möglich. Die Abschreckung muss zwingend umfassen, diese technologischen Möglichkeiten auch in das Land des Angreifers zu tragen.
Auch das hat die Ukraine bereits umgesetzt und der größte Hoffnungswert ist momentan deren enormer Fortschritt. Wir müssen dringend erkennen: KI ist wichtiger als Highend-Gerät, auch Produktion ist wichtiger als Highend-Gerät. Daher bin ich momentan selten begeistert, wenn unsere Rüstungsindustrie mal wieder eine Highend-Drohne präsentiert, deren Physik irgendwas noch besser kann, als bisherige.
Das erinnert sehr an diverse falsche Optimierungskunstwerke anderer Industrien.