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Die nächste disruptive Industrietechnologie ist die Elektrifizierung von Hochtemperaturprozessen

Beinahe täglich wird man in meist unerquickliche Diskussionen über die schlechten Nachrichten aus der deutschen Industrie verstrickt. Oft wird hartnäckig die These vertreten, die Rückkehr zu fossiler Energie, entsprechenden Geschäftsmodellen und Produkten sei notwendig, „die Energiewende“ zu teuer und für Wettbewerbsnachteile verantwortlich. China mache das klüger, baue Kohlekraftwerke und Kernkraftwerke, Verbrenner genauso wie E-Autos und ziehe unsere Industrie mit niedrigen Löhnen und billiger fossiler Versorgung an.

Das ist fatal, weil es den Wettbewerb ignoriert, die selbst behauptete Marktwirtschaft mit dem Unwort Technologieoffenheit sogar behindert und die Ursachen der Industriekrise nicht erkennt. So können keine Lösungen entstehen. Die Herausforderungen sind Digitalisierung und Elektrifizierung. Wir müssen sie annehmen und hier die besseren Technologien entwickeln. Das war schon immer das europäische und ganz besonders das deutsche Modell. Es fing mit Krupp, Siemens, Bosch an, die zentrale Technologien besser als alle anderen machten.

Heute lassen wir uns einreden, physikalisch unterlegene Technologien der Vergangenheit seien für den Wettbewerb der Zukunft die Lösung.

Jeder sollte den tiefen Unfug darin erkennen.

Heute will ich das am Beispiel der sich bereits abzeichnenden nächsten industriellen Disruptionen durch innovative Wärmetechnologien vertiefen.

Während nämlich im Industrieland Deutschland fatalerweise politische Mehrheiten für die These zu gewinnen sind, die Fortsetzung einer fossilen Industrie sei ökonomisch erfolgreich, betreiben die schon länger moderne Industriestandards definierenden Regionen Asiens die Elektrifizierung. Besser wäre es, die “aber China”-Stimmen würden sich nicht länger mit Desinformation über deren Kohleverstromung belügen lassen.

Bei PV, Batterien, Robotik, Automatisierung, E-Mobilität wird trotzdem fleißig verdrängt, was bereits da ist. Die Fortschritte bei der Elektrifizierung industrieller Wärmeprozesse werden erst noch folgen und die nächsten Industrien (Chemie, Papier, Glas, Keramik, Zement, Stahl) disruptiv verändern.
Während Europa auch hier stark auf die Optimierung bestehender Technologien fokussiert, haben sich Japan, Südkorea und insbesondere China als technologische Schrittmacher etabliert. Die Entwicklung verläuft dabei chronologisch von der Optimierung bekannter Prozesse bis hin zu physikalischen Grenzerweiterungen:

Phase 1: Etablierte Niedertemperatur-Systeme (Japan & Südkorea), die industrielle Wärmepumpe ist bereits seit über einem Jahrzehnt Stand der Technik. Fokus auf Temperaturen bis 120 °C. Einsatzgebiete: Massenhafter Einsatz in der Lebensmittelindustrie (Brauereien, Molkereien) und Oberflächentechnik.
Technik: Nutzung von CO2 (R744) als natürliches Kältemittel (EcoCute-Standard). Japanische Hersteller wie Daikin und Mitsubishi erreichen hier COP-Werte von über 5,0, was die Technologie ökonomisch unschlagbar macht.

Phase 2: Skalierung auf Mitteltemperaturen (China & IEA-Szenarien). China nutzt die Wärmepumpe aktuell als strategisches Instrument zur Reduktion (sic!) der Kohleabhängigkeit. Anwendung: Prozesswärme im Bereich 160 °C bis 200 °C.
Einsatzgebiete: Dampferzeugung für die Textil-, Papier- und Chemieindustrie.
Status: Laut IEA (2024) könnten durch diese bereits verfügbaren Hochtemperatur-Wärmepumpen (HTWP) bis zu 60 % des industriellen Wärmebedarfs in der Leichtindustrie elektrifiziert werden.

Phase 3: Der Gamechanger für die Schwerindustrie! Die jüngste Entwicklung der Chinesischen Akademie der Wissenschaften (CAS) vom Dezember 2025 markiert einen Paradigmenwechsel.
Die Innovation: Eine thermoakustische Wärmepumpe, die auf dem Stirling-Zyklus basiert, aber ohne mechanisch bewegliche Teile auskommt. Energie wird durch Schallwellen übertragen.
Ein Prototyp hob Abwärme von 145 °C erfolgreich auf 270 °C an. Die Forscher zielen auf Temperaturen von 500 °C bis 800 °C ab. Damit wird erstmals die Elektrifizierung der Schwerindustrie (Petrochemie, Metallurgie) technologisch greifbar, die bisher als „Hard-to-abate“ galt. Dazu werden (auch in Südkorea und Japan) kaskadierende Systeme angestrebt, die aus jederzeit verfügbarer Umweltenergie jede Zieltemperatur erreichen.

Ich wiederhole: Diese Wärmepumpe arbeitet ohne mechanische Teile, der “Wärmetransport” erfolgt durch Schallwellen, die Ausgangstemperatur ist derzeit 270 Grad und soll auf bis 800 Grad angehoben werden. Das sind mehrere physikalische Grenzerweiterungen.

Die führenden asiatischen Industrienationen sind technologisch überlegen. Dort wird digitalisiert, automatisiert und elektrifiziert, was zudem symbiotische Parallelstrategien sind. Das industrielle Europa muss dringend Antworten finden, wenn es Zukunft haben will. Es ist längst ein Technologiewettbewerb, der in unserer täglichen Agenda über Energie- oder Lohnkosten nicht stattfindet und der nur zu gewinnen ist, wenn wir uns mit den Interessen der fossilen Wirtschaft endlich sehr konsequent anlegen.

Quellen:
* Forschungs-Durchbruch (CAS): Energy Journal (2025): A heat-driven thermoacoustic heat pump supplying heat up to 270 °C – Wissenschaftliche Details zum 270-Grad-Prototyp.
* IEA Marktanalyse: The Future of Heat Pumps in China – Umfassender Bericht zur strategischen Bedeutung für den Weltmarkt.
* Technologie-Zentrum Japan: HPTCJ (Heat Pump & Thermal Storage Technology Center of Japan) – Best-Practice-Beispiele und Effizienzdaten aus Japan.
* Internationaler Standard: IEA HPT Annex 58 – Übersicht über weltweite Hochtemperatur-Wärmepumpen-Projekte.

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