Das medial/journalistische Lowlight des Tages liefert das Handelsblatt. Erbärmliches Clickbaiting, kommt in die nächste Vorlesung.
Fette Aufmachung: „70% der Unternehmen verlagern Investitionen aus Deutschland“. Das dürfte bestens klicken.
Begrifflich geht da natürlich alles wild durcheinander. Oben steht „Industrie“, dann folgt „energieintensive Industrie“ und weiter unten wieder „Industrieunternehmen“. Die 70% errechnet das HB aus 31% aktiv verlagernden (so die Überschrift) und 42%, die auch in anderen Ländern investieren (was sie grundsätzlich immer tun).
Die magere Basis dieses erbärmlichen Stücks journalistischen Versagens ist eine zur „Studie“ erhobene „Umfrage“ des durchaus renommierten, aber eher im Marketing-Bereich etablierten Beratungsunternehmens Simon-Kucher. Die haben eine analytisch wenig tiefe „Umfrage“ unter „240 hochrangigen Managern aus energieintensiven Branchen (Basischemie, Stahl, Glas, Zement)“ zu deren Investitionsentscheidungen durchgeführt.
Schaut man im Original nach, liest sich das ganz anders: Industriestrompreis in Kerneuropa, mangelnde Infrastruktur in Deutschland, hohe Steuern und Abgaben beim Strom, Genehmigungen, Bürokratie. Bessere Standorte: Die mit günstigen Erneuerbaren und wachsender Infrastruktur in Südeuropa sowie Skandinavien. Sowie die vom IRA (Biden!) in den USA profitierenden Standorte.
Ich korrigiere HB und „Studie“ kurz: Energieintensive Industrie ist nicht gleich Industrie ist nicht gleich „die Unternehmen“. 42% auch in anderen Regionen investierende Unternehmen ist zuerst mal komplett normal, auch 31% Verlagerung ist nicht ungewöhnlich, die 70% sind einfach nur plump daher geredet, die „Studie“ gibt nichts davon her, was das HB behauptet.
Die Befragung selbst ist wenig valide, allenfalls eine kaum belastbare Stichprobe. Keinerlei Quantifizierung, keine breite Analyse der behaupteten Branche, einiges überholt, der IRA wird von Trump geschliffen und die US-Investments werden reihenweise geprüft. Außerdem geht es in der energieintensiven Industrie insgesamt primär um Erdgas, ich hatte dazu kürzlich berichtet.
Keine Frage, energieintensive Industrie ist ein sehr tiefes Thema, schon immer in Deutschland. Aktuell berührt durch Gaspreise und die Strompreise sind auch zu hoch – was teilweise zusammen hängt. Die Infrastrukturen kommen nicht weiter, was ebenfalls Preise belastet, noch mehr aber Planungsgrundlagen.
Mit so einem Mist erreicht man das Gegenteil einer sachlichen Information zu dieser Problemlage. Wie dieses Stück medialer Desinformation in SocialMedia weiter gedreht wird, ist klar: „Die Energiewende“ ist mal wieder schuld und das sind natürlich „die linksgrünen Ideologen“, die „die Deindustrialisierung“ ja sogar wollen.
Anstrengend!




