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Mileis Politik trägt den Namen Sturzenegger und die ist nicht „libertär“

Es ist unerträglich, wie die Politik des argentinischen Präsidenten Milei in deutschen Medien und in vielen Echokammern bewertet wird. Es gibt fast nur tief ideologische, fast schon religiöse Meinungsbeiträge von selbst ernannten Libertären einerseits und Anti-Libertären auf der anderen Seite. Wirklich tief bedauerlich sind solche Bekundungen von Journalisten oder Leuten mit akademischen Graden, denen man leider zu Unrecht eine fachlich adäquate ökonomische Recherche unterstellt.

Vor allen konkreten Bewertungen Argentiniens ist klar zu stellen, dass Argentinien als Vergleich nur für Argentinien tauglich ist, nicht mal für seine Nachbarn, geschweige denn für irgendeine entwickelte Volkswirtschaft in Europa, Asien oder Nordamerika. Das Land, vor gut 100 Jahren eine der größten Volkswirtschaften der Welt, oszilliert seit den 1950ern in einer sehr spezifischen Politik zwischen Peronismus und so etwas wie einer mittelalterlichen Großgrundbesitzer-Wirtschaft. Das wird bei uns gerne mit „links“ und „rechts“ oder aktuell „Sozialismus“ versus „Liberalismus“ bewertet, was aber nur oberflächlicher Quatsch ist, eben jene religiöse Ideologie bedienen soll, mit der man derzeit täglich irgendeine laute Meinung über unsere Politik plärren möchte.

Tatsächlich ist die derzeit laufende reale Sanierung Argentiniens viel „handwerklicher“ und sie geht auf den Ex-Notenbankchef Sturzenegger zurück. Der wollte sein für einen Notenbanker absolut typisches Programm übrigens mit einer anderen Kandidatin umsetzen, weshalb Mileis wesentlicher Verdienst darin liegt, das erkannt und angenommen zu haben. Das hat auch eine enge Kooperation mit dem IWF ermöglichst, die für Argentinien überlebenswichtig ist.

Der letzte Versuch, Peronismus wieder in eine Großgrundbesitzer-Ökonomie zu überführen, erfolgte durch den ebenfalls anfangs als „Befreier“ gefeierten Staatspräsidenten Menem, führte aber nur in die andere Variante der Staatspleite. Ob das nun wieder passiert, ist leider abzuwarten. Sollte sich die nächste Pleite ergeben, könnte man das Milei übrigens ebenso wenig anlasten, wie er Vater der Politik ist, die zudem viele Attribute erlaubt, aber ganz bestimmt nicht „libertär“ zu nennen ist. Es ist zwar richtig, dass viele Fesseln des Peronismus sehr konsequent zerschnitten wurden, aber das erfolgte eher durch ein klassisches Sanierungsprogramm über die Notenbank, also durch Kapitalverkehrskontrollen und einen festgelegten Wechselkurs der Währung. Daran ist nichts „neo“, „libertär“ oder „Kettensäge“, das ist oft genug erprobtes Handwerk, das insbesondere den IWF am Tisch hielt. Man sollte nicht so viel Spektakel darum inszenieren, denn die Besonderheit ist nicht die Methode, sondern immer noch Argentinien selbst und die Frage, wie diese oft genutzte Methode in der spezifischen Situation wirkt.

Das aber ist noch weitgehend unklar, denn alle in nationaler Währung nun vorgelegten Bilanzen sind genauso aussagekräftig, wie die der DDR oder aktuell von Nord Korea. Dass man mit solchen Eingriffen nun schnell die Inflation runter prügelt und die innere Verschuldungsspirale der Peronisten abschaltet, ist trivial. Die Wahrheit findet aber woanders statt: Gelingt es dem Land, wieder Teil der Weltwirtschaft zu werden und zwar sowohl beim Handel, bei den freien Devisenmärkten und an den internationalen Kapitalmärkten?

Bevor die Kapitalverkehrskontrollen nicht endgültig enden, ist das nicht zu beantworten. Die sollten schon viel früher auslaufen, sie sind aber entgegen diverser Falschmeldungen bisher nur reduziert auf einen nun geplanten Korridor für die Festlegung des Wechselkurses. Was makroökonomisch alleinige Relevanz hat, ist in den aktuellen Daten wie folgt zu lesen: Die Kapitalverkehrskontrollen haben zunächst den Außenhandel nahezu zum Erliegen gebracht. Parallel wurde der peronistische Zollschutz für die Industrie abgeschafft. Das ist übrigens ein fundamentaler Unterschied zur Trump-Politik, die Milei sogar größere Probleme bereitet.

Im Ergebnis ist der global wettbewerbsfähige Agrarsektor Argentiniens gewachsen, die Industrie aber zugleich eingebrochen. Die Ökonomie des Landes ist jetzt wieder auf dem Stand von Ende 2021, Milei hat die also zuerst runter und nun wieder hoch gefahren, was auch zu oberflächlich als großer Erfolg bewertet wird. Die Aussichten der Industrie werden leider als sehr düster bezeichnet, man ist unter den Peronisten vom globalen Wettbewerb zu sehr entfernt worden, das dürfen Trump-Fans sich übrigens durchaus kritischer ansehen. Wenn eine Erholung der Industrie aber nicht gelingt, wird Argentinien eben doch wieder ein Agrarland und Milei könnte als Menem 2.0 enden.

Das ist aber noch offen und den Argentiniern ist zu wünschen, dass es endlich einen Ausweg findet. Dazu ist jedoch die Hilfe des IWF notwendig, die nun auch zugesagt wurde. Auch das ist keine Überraschung, denn Sturzenegger steht für eine sehr glaubhafte Sanierung, die man so macht, wie er sie macht. Wie gesagt weiß niemand, wie das in diesem spezifischen Argentinien wirkt. Es ist zu hoffen, dass es funktioniert. Aber was man auch endlich nicht mehr behaupten sollte, ist das Märchen vom Sparen und dem Abbau der Schulden. Das ist eine Fiktion, denn real steigt die Schuldenlast von Argentinien sogar sehr deutlich, das steht nur in den national gerechneten Bilanzen anders.

Tatsächlich sollen sich die externen Kreditvolumina bis 2031 verfünffachen und das ist auch richtig so, denn eine Sanierung funktioniert nicht durch Sparen, sondern durch Kredite. Auch das darf mal akzeptiert werden, gerne dann doch anhand des Beispiels von Argentinien.


 

 

 

 

 

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