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CoroNews 11.05.2020

Heute keine Zahlen, sondern drei aktuelle Nachrichten über die Ausbreitungswege von Covid-19. Bitte wie immer die Kommentare von gestern beachten und gerne fortsetzen, es sind bis eben noch Quellen hinzu gekommen: https://www.facebook.com/specht.dirk/posts/1875674975895848

Fangen wir mit Süd Korea an. Dort hat ein einziges Ereignis in einem Nachtclub zu einer regionalen Schließung entsprechender Einrichtungen geführt: Clubs, Bars, Restaurants – alles dicht. Ein Partygast hatte in einer einzigen Nacht in einem unvorsichtigen Club mindestens 24 Personen angesteckt. Die Kette konnte trotz des exzellenten Systems in Süd Korea nicht mehr komplett verfolgt und eingedämmt werden. Daher wurde sofort wieder mit einem flächendeckenden Verbot über entsprechende Einrichtungen reagiert. Aus meiner Sicht ein Hinweis: Eine Seitwärtsbewegung, in die wir bestenfalls gerade kommen, ist nirgendwo von Dauer. Auch das Beispiel Japan zeigt, dass es ab einer gewissen Bevölkerungsgröße und internationaler Vernetzung immer wieder zu Ausbrüchen kommen muss. Diese Staaten haben aber Instrumente, das zu erkennen und lokal wirksam einzufangen. Wird in Süd Korea nun sicher spannend, da es Seoul selbst getroffen hat – aber sie werden das schaffen.

Frage: Ist unsere föderaler Lösungsansatz geeignet, solche Ausbrüche zu erkennen und einzudämmen? Bei einer Infektionsbasis und einer täglichen Anzahl Neuinfizierter die mindestens Faktor Hundert höher als in Süd Korea ist?

Dazu eine aktuelle COSMO-Studie, ein Gemeinschaftsprojekt der Uni Erfurt und des RKI, die zu dem Ergebnis kommt, dass die Akzeptanz von Maßnahmen immer weiter sinkt – bis zum Händewaschen. Nach aktiver Mitwirkung der Herde sieht das nicht aus – und was tun nun die Landräte und Gesundheitsämter?

Der Bürgermeister von Bergamo hat gerade ein sehr lehrreiches Interview gegeben, was passieren kann, wenn so gut wie alles schief läuft. Ich denke nach wie vor nicht, dass wir solche Szenarien bei uns sehen werden, aber wir laufen Gefahr, mehr als nur ein paar singuläre Ausbrüche zu erleben. Ein regionales Ereignis wie Heinsberg wird immer wahrscheinlicher.

Sehr aufschlussreich ist die Aufarbeitung in Ischgl. Dazu haben Kollegen von der Zeitschrift Profil die weltweit auf Ischgl zurückzuführenden Fälle recherchiert. Das Bild anbei fasst es zusammen. Das ist keine wissenschaftliche Studie, es beruht vielmehr auf einer Erhebung über viele verschiedene Quellen, nicht zuletzt auch aus solchen, die Schadenersatzklagen gegen die Betreiber und Verantwortlichen (übrigens auch Lokalpolitiker, nur so nebenbei) vorbereiten. Es sind aber teilweise auch wissenschaftliche Untersuchungen, beispielsweise aus Island sowie vom RKI. Der Beitrag aus der Zeitschrift anbei.

Es spielt für mich keine Rolle, ob diese Daten absolut präzise sind, denn die wichtige Botschaft lautet natürlich: Das ist der so gefürchtete „Superspreader“-Effekt, wenn Menschen aus verschiedenen Kohorten zusammenkommen und sich dort infizieren. In der Epidemiologie ein „Brandbeschleuniger“, weil das Infektionsgeschehen im Alltag der Menschen auf ihre meist eher engeren Sozialkontakte (Familie, Freunde, Kollegen) begrenzt ist. Bei „Virusschleudern“ wie Ischgl wird das Virus tausendfach zwischen solchen Kohorten übertragen – und dann rasend schnell in sehr viele Alltagsgruppen weitergegeben.

Ischgl ist genau deshalb aktueller denn je, weil diese weltweite Ausbreitung natürlich regional genau so erfolgt. Wie in dem Nachtclub in Seoul. Dasselbe droht in allen Einrichtungen, die Menschen über deren engere soziale Kreise zusammenbringen. Grundsätzlich spielt auch die Größe keine Rolle, sondern in der Fläche durchaus auch die Anzahl, denn 100 kleine Ischgls wirken genauso. Bei den Zahlen ist übrigens zu beachten, dass es nur die unmittelbare Infektionsbasis aus Ischgl ist – Folgeinfektionen werden allenfalls schätzbar sein.

Gastronomie, Hotels, Kneipen, Bars, Schulen – alles anders als in Ischgl? Das dürfte wohl so sein, denn ganz so „kuschlig“ wie Ischgl wird es hoffentlich nicht ablaufen. Aber um wie viel geringer ist das Infektionsgeschehen, die Hälfte, ein Drittel? Wie viel besser ist es, wenn wir vor die Ischgl-Zahlen ein Drittel schreiben?

Meine Meinung: Das allgemeine Infektionsrisiko, also die Basis aller Infizierten in einem Land, müsste weiter runter, bevor man das macht. Wir haben derzeit ca. 20.000 Infizierte, ca. 1.000 neue pro Tag – laut Oxford-Modellen, die sehr langsam und stabil arbeiten. Das RKI meldet weniger. Wir haben eine Dunkelziffer von mindestens vier (Schätzung RKI), ggf. zehn (Schätzung Streeck). Macht also 80.000 bis 200.000 Infizierte. Das wären zwischen 0,09% und 0,24% der Bevölkerung. Klingt gering, aber wenn man das mit 1.000 Teilnehmern einer „ich will mich infizieren Demo“ hochrechnet, sind ein bis 2,5 Infizierte dabei. Dasselbe gilt, wenn man in einem Landkreis zehn größere Biergärten öffnet, in denen jeweils 100 Menschen zusammenkommen!

Es ist alles nur eine Frage der Zeit – und wir reden nicht von viel Zeit.

Last but not least eine Studie der US-Notenbank Federal Reserve: Man macht sich Sorgen, wenn Social Distancing nicht durchgesetzt wird – zu teuer!

 

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