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Die Wodarg-Interpolation

Die beigefügte Kurve zeigt die zweiwöchentliche Veränderung bestätigter Covid-19 Infektionen in den europäischen Kernländern der Erkrankung: Italien, Spanien, Frankreich und Deutschland. Dieser Vergleich der Zahlen mit zwei Wochen Abstand ist der zeitlich längst mögliche Referenzwert zwischen Test- und tatsächlichem Infektionszeitpunkt, da die Infektion in milden Fällen dann meist bereits abgelaufen ist und in schweren Fällen überwiegend im Krankenhaus mündet, wo spätestens bei der Einlieferung ein Test erfolgt ist. Man kann diese Kurve also als eine Art maximalen Zeitraffer sehen. Da sich tatsächlich die Verzögerung von Infektionszeitpunkt zu Testzeitpunkt natürlich anders verteilt, sind die wahren Verläufe nicht ganz so steil. Aus mathematischer Sicht sind diese Kurven dennoch relevant, denn sie sagen folgendes aus:

Erstens ist klar, dass die Teststrategie und die Veränderung in der Testmenge keine Verfälschung der Infektionsverläufe ergeben hat. Im Gegenteil könnte man diese Darstellung als „Wodarg-Interpolation“ bezeichnen, denn der von diesem Herrn behauptete Effekt, die positiven Befunde seien ohnehin alle bereits im Feld gewesen und nur die Steigerung der Testmenge führe zu mehr Zahlen, ist in genau diesen Kurven maximal angenommen worden. Wie ich hier bereits geschrieben hatte, führt diese Annahme eben nicht zu flacheren, sondern zu weit steileren Kurven – was mathematisch und bei nur ansatzweise auch nur einen Schritt weitergehender logischer Denkweise ohnehin glasklar ist. Hier ist das nun mal gerechnet worden, exakt so, wie Wodarg das behauptet.

Zweitens ist klar, dass eine exponentielle Ausbreitungsgeschwindigkeit der Pandemie vorlag. Ebenso ist ein exponentieller Zusammenbruch erfolgt, was allen Modellen der Epidemiologie immanent ist, weshalb die Hinweise auf die Attraktivität wirksamer Gegenmaßnahmen richtig waren. Denn: Die einzige kausale Ursache für diesen Zusammenbruch kann nur der weitgehend zeitgleiche Lockdown nebst den Grenzschließungen sein. Ein anderes Ereignis von Relevanz hat es in diesem Zeitraum nicht gegeben.

Drittens ist klar, dass bei jeder Bewertung von Übersterblichkeit im Zusammenhang mit Covid-19 selbstverständlich nur periodisch abgegrenzte Vergleichswerte und eben nicht Jahreswerte heranzuziehen sind. Schaut man auf die regionale Verteilung der Epidemie, die diesen nationalen Zahlen nicht zu entnehmen ist, muss man zudem natürlich auch regional abgrenzen. Die einzig richtigen Vergleiche sind also regionale Todeszahlen aus März und April. Die entsprechenden Vergleiche gibt es, sie sind für die Orte Bergamo, Madrid, Moulhouse und New York verfügbar und die sind so erschütternd, dass sich die ebenfalls hartnäckig haltende Frage nach der Feststellung von Todeskausalitäten ebenfalls erledigt.

Viertens ist klar, dass wir trotz der steigenden Zahlen aktuell noch keine derartige Entwicklung sehen. Das ist eine gute Nachricht, die aber richtig einzuordnen ist, denn: Dieses maximal zeitlich verdichtete Instrument taugt nicht für die a-priori Bewertung, es zeigt einen unkontrollierten Ausbruch nur nachträglich an. Wenn diese Darstellung reagiert, ist es bereits zu spät, das sieht man an dem enorm steilen Anstieg.

Wir haben aktuell also (noch) die Chance, durch eine Änderung unseres Verhaltens sowie durch gezielte Eingriffe des Staates die Wiederholung einer solchen Entwicklung zu verhindern. Das muss aber präventiv erfolgen. Warten wir hingegen, bis selbst die Wodarg-Interpolation die letzten Zweifel beseitigt, ist es zu spät. Da wir parallel mit gezielten, effektiven und regionalen Maßnahmen keine größeren Fortschritte gemacht haben, wäre dann das – unstrittig übertriebene – Instrument des Lockdowns unvermeidlich.

Das will niemand!

 

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