Als ich am 24. Dezember ein kleines Hoffnungssignal einer sich abzeichnenden Stabilisierung unserer Testkapazitäten und sogar ein möglicherweise bereits sich ausbildendes Peak bei den tatsächlichen Infektionszahlen ausgesandt hatte, war mir klar, dass wir erst einige Tage nach den Feiertagen wieder brauchbare Daten sehen werden.
Nun, davon kann keine Rede sein und das ist aus meiner Sicht schon fast eine Kapitulation. Ich weigere mich, die in den letzten Tagen gemeldeten Daten an Neuinfektionen und auch die Sterbefälle überhaupt zu kommentieren. Die sind statistisch dermaßen erratisch, dass es einen Mathematiker nur traurig machen kann – denn wir reden hier nicht von der Bierdeckelproduktion und auch nicht von einer anderen „Schlüsselindustrie“. Es geht um die Bewertung einer Krise, die uns pro Monat zwischen 10.000 und 15.000 Menschenleben sowie einen zweistelligen Milliardenbetrag kostet und die Gesellschaft unter eine Spannung bringt, die sogar den Weihnachtsfrieden berührt hat. Wir reden zudem darüber, dass wir in den kommenden Tagen nun zu bewerten haben, wie es weiter gehen soll.
In dieser Situation des Landes erdreistet sich die dafür zuständige Bürokratie, einen Datensalat zu präsentieren, der statistisch gesehen nur Hohn und Spott ausdrückt. In Sprache übersetzt besagen die Zahlen: Wir waren mal weg.
Es mag zwar durchaus sein, dass über die Feiertage auch seitens der Menschen eine geringere Bereitschaft gegeben war, sich bei entsprechender Symptomatik testen zu lassen. Aber das ist nur Spekulation, denn es dürfte aufgrund der ausgefallenen Infrastruktur recht klar sein, dass der vielleicht geringere Wille zum Test in einem fast schon aussichtslosen Angebot an Testmöglichkeiten seinen Erfüllungsgehilfen gefunden hat.
Winter, zweite Welle, Aufrechterhaltung der Infrastruktur, gerade an den Feiertragen und dem Stillstand in den Tagen dazwischen? Wer konnte im Sommer schon ahnen, dass es gerade in der zweiten Hälfte des Dezembers zu solchen operativen Problemen kommen könnte?
Nun, man konnte nicht nur, man musste das wissen und entsprechend vorsorgen. Dafür sollten wir aus meiner Sicht keinerlei Verständnis haben!
Wir sind tatsächlich nun komplett blind und ich bin sehr gespannt, wie viele Tage wir zu warten haben, bis die Daten wieder plausibel und bewertbar sind. Ich bin absolut sicher, dass wir nun in allen Bereichen Nachmeldungen sehen werden – auch bei den Sterbefällen – und dass wir mit einem Wiederanlaufen der Tests Sprünge zu klären haben. Dabei müssten wir gerade jetzt bei unseren aktuellsten Daten, den Neuinfektionen, besonders aktiv und gut aufgestellt sein, denn natürlich besteht die Gefahr, dass die Weihnachtsfeierlichkeiten eine Beschleunigung gebracht haben. So werden wir aber noch einige Tage brauchen, um einigermaßen gut einzuschätzen, wie es VOR Weihnachten gelaufen sein mag und ob der verschärfte Lockdown nun endlich ein Wellenbrecher war oder vielleicht immer noch nicht?
Aufgrund dieses Meldedesasters habe ich eine alte Berechnung wieder aktiviert, die ich eigentlich für nicht mehr erforderlich gehalten hatte: Die Steigerungsrate der Intensivbelegung mit Covid-19 Patienten. Bei der Aktualisierung ist mir leider aufgefallen, dass diese Daten rückwirkend korrigiert wurden – bis Anfang Oktober zurück. Das waren keine signifikanten Veränderungen, aber solche Dinge sind kein Vertrauensbeweis. Ich vermute, dass die Korrekturen auf eine Veränderung der Erhebung zurückzuführen sind, weil inzwischen nur Betten für Erwachsene ausgewiesen werden. Eine bessere Dokumentation wäre hilfreich.
Ebenso verhält es sich mit den Daten zu den neu aufgenommenen Patienten. Hier wird für heute die Zahl von 927 im DIVI-Tagesbericht genannt. Diese eigentlich wichtigste Zahl wird aber seit Wochen offensichtlich nicht ermittelt, sondern aus anderen Daten berechnet – was ständig zu Korrekturen führt. Daher verwende ich auch diese Daten hier nicht, es sei aber erwähnt, dass diese 927 keinesfalls das Entspannungssignal der anderen Daten bestätigen – der Druck auf die Krankenhäuser ist immer noch sehr hoch.
Die im Folgenden dargestellte tägliche Veränderung der Intensivbelegung sowie im darunter liegenden Chart deren absolute Entwicklung ist also momentan – leider – das einzige belastbare Datenmaterial. Nun entsteht die Intensivbelegung aus der Differenz von Zu- und Abgängen. Es ist daher normal, dass die zunächst mal stark steigt und sich erst mit einer Verzögerung wieder absenkt. Ferner kann die Belegung sogar irgendwann sinken, obwohl immer noch neue Fälle hinzu kommen.
Insofern ist das nur ein indirekter und verschwommener Indikator für die einige Tage zuvor tatsächlich stattgefundenen Neuinfektionen. Klar ist aber, dass ein Anstieg der Intensivbelegungen nur zustande kommen kann, wenn auch die Infektionen weiter wachsen – und das ist halt unverändert so zu sehen. Denn, bitte beachten, das Chart zeigt die tägliche Wachstumsrate, die absolute Kurve ist darunter zu sehen. Die steigt weiter ohne jede erkennbar Pause.
Der um das Weihnachtsfest möglicherweise erreichte Peak kann hier jedoch noch nicht sichtbar sein, der wäre frühestens ab Anfang Januar erkennbar und stabil erst Mitte Januar möglich. Diese weihnachtliche Hoffnung ist also noch nicht ausgeschlossen.
Jedoch zeigt auch diese Datenlage erneut, dass es keinen Seitwärtstrend bei den Neuinfektionen gegeben hat. Mit der Einschränkung der oben beschriebenen Überlagerung dieser Daten kann man grob ableiten, was ich hier bereits geschrieben hatte: Starker Anstieg im Oktober, geringeres Wachstum durch den Lockdown light und leider noch kein klares Signal zum verschärften Lockdown ab Mitte Dezember.
Damit bleibt die aktuelle Einschätzung bestehen, dass wir bei den klinischen Daten noch mindestens zwei weitere Wochen mit einem Anstieg dieser Daten zu rechnen haben. Bis dahin haben wir hoffentlich wieder bessere Testdaten, so dass wir bewerten können, wie der Lockdown und die Weihnachtsfeiertage in Kombination gewirkt haben. Da ich über den Jahreswechsel kaum mit einer plötzlich agileren Testinfrastruktur rechne, gehe ich davon aus, dass wir tatsächlich erst in der zweiten Januarwoche über eine Datenlage verfügen, die uns eine bessere Bewertung erlaubt.
Die Ministerpräsidenten wollen aber vorher entscheiden. Einige Landesminister, bevorzugt aus dem Bildungssektor, behaupten, das bereits jetzt tun zu können. Die sind nun wirklich abschließend blind, diese Bewertung lässt die Datenlage bereits heute zu!