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CoroNews 09.01.2020

Bevor ich zu den unverändert nur grenzwertig analysierbaren Daten in Deutschland komme ein Blick nach Asien. Dort werden um den Jahreswechsel in einigen Ländern ebenfalls neue Ausbrüche gemeldet, die je nach Zählweise in den Medien gerne als die x.te Welle bezeichnet werden.

Die erkennbaren Reaktionen auf diese Nachrichten belegen, wie festgefahren unsere Denkmuster in dieser Krise sind. Das beginnt bei den Medien, die vor allem über China berichten. Wie zuletzt sehen wir Bilder einer abgeriegelten Millionenmetropole und Menschenmassen in Hallen bei angeordneten Massentests. Stereotype Berichte über das ZeroCovid-Geschehen in China, bedauerlich einseitig.

Entsprechend kann jeder das zur Bestätigung seiner jeweils festgefahren Position auslegen. Von „China lügt, alles Propaganda“ über „nicht mal China kann das Virus eindämmen“ bis zu „nur Diktaturen sind zu ZeroCovid in der Lage“ ist der Selbstbedienung keine Grenze gesetzt.

Dabei lohnt es natürlich, bei ZeroCovid auf ganz andere Länder als China zu schauen. Heute möchte ich das mit möglicherweise sehr lehrreichen Hinweisen auf Süd Korea und Japan tun. Beide Länder hatten wie viele andere beginnend mit dem Herbst mit einem Aufflammen der Pandemie zu tun, beide gehören weltweit zu sehr unterschiedlich agierenden, aber erfolgreichen ZeroCovid-Ländern.

Im Herbst gab es aber erstmals eine Differenz in der Handlungsweise. Während Süd Korea sein Epidemiemanagement konsequent weiter führt, weltweit die führende Test- und Meldeinfrastruktur betreibt und je nach dadurch sehr früh erkannter Ausbreitung in einem Stufenplan nach klaren und seit Ende 2019 unveränderten Kriterien Gegenmaßnahmen auslöst, gab es zwischenzeitlich in Japan einen Regierungswechsel von Abe zu Suga. Der Unterschied: Abes Nachfolger ist zögerlicher!

Süd Koreas Premier Chung Sye-kyun verhängte kürzlich gemäß der zweiten Stufe des nationalen Epidemieplans sehr gezielt Lockdowns in insgesamt drei Stadtteilen(!) des Landes und kündigte Mitte Dezember an, es könne auch zur höchsten Alarmstufe kommen. Das reichte offensichtlich aus, den Ausbruch auf einem Level von 1.000 Infektionen pro Tag zu brechen. Binnen zwei Wochen wurde die Entwicklung gestoppt und seit dem Jahreswechsel fallen die Werte. Die betroffenen drei Stadtteile werden bald wieder öffnen. Landesweit ist gar nichts passiert.

Anders dieses Mal in Japan. Die Japaner waren bisher ähnlich erfolgreich wie Süd Korea, jedoch mit einer anderen Test- und Eindämmungsstrategie. In Japan wird wesentlich weniger und auch primär nur in den Krankenhäusern getestet, aber im Unterschied zu Deutschland wird es mit einer konsequent eingehaltenen repräsentativen Teststrategie gemacht, so dass sie die Trends genauer bewerten können. Da sie aber nicht über die technologisch exzellente Lösung der Süd Koreaner verfügen, mussten die Maßnahmen in Japan eher in der Fläche verhängt werden. Seit Dezember mehren sich die Berichte, denen zufolge Suga zu langsam reagierte, weshalb es nun zu einem breiteren Lockdown kommen muss, weil die Epidemie nun rasch eskalierte. Es gibt zwar Vermutungen, dass die neue London-Mutation dabei eine Rolle spielt, es ist aber wohl eher der Fehler einer zögerlichen Regierung. Wie schnell das bestraft wird, zeigt der folgende Vergleich. Zur Einordnung ist aber zu sagen, dass man diese Kurven überhaupt nur nebeneinander erkennt. Wenn man irgendein Land Europa dazu nimmt, kann man diese Werte kaum noch erkennen. Es ist damit zu rechnen, dass auch Japan das nun rasch wieder in den Griff bekommt, aber auch hier gilt die Metrik: Kurzes Zögern bedeutet längeres und härteres Aussitzen.

 

 

Übrigens sind während der gesamten Pandemie in Japan bisher ca. 3.700 und in Süd Korea 1.100 Menschen an Covid-19 verstorben. Das haben einige westliche Ländern auf die Bevölkerung umgerechnet als Tageswerte „erreicht“. Für die Wirtschaftsnörgler noch zur Info, dass die Wirtschaftsleistung in Süd Korea in 2020 um ca. 1% und in Japan um 5% zurück ging. Beide Länder erwarten 2021 ein starkes Wachstum, das bereits in Q4/2020 begonnen hat. Was 2020 betrifft, könnte Deutschland die Zahlen Japans auch erreichen, 2021 kaum. Von Süd Korea müssen wir nicht träumen – von China natürlich erst recht nicht.

 

Zudem ist anzumerken, dass unsere im EU-Vergleich noch relativ geringen Einbrüche der Wirtschaft nicht unmaßgeblich dem Export zu verdanken sind, der sich recht schnell erholt hat – dank der ZeroCovid-Erfolge in Asien. Ein Grund mehr, diese Strategie endlich auch in Europa durchzusetzen!

Damit nach Deutschland und hier zu einem weiteren Beitrag in Sachen Impfrennen. Nachdem sich Marcel Fratzscher bereits kritisch zur frühzeitigen Förderung von Produktionskapazitäten geäußert hatte, fordert heute Clemens Fuest Prämien für die Hersteller, um den Ausbau zu beschleunigen. Beide Ökonomen bestätigen damit, dass es bezüglich des Kapazitätsausbaus zu sehr auf die Planungen der Hersteller angekommen ist, die das im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Risiken nur begrenzt leisten konnten. Die Vorschläge beider sind richtig und sollten nun dringend umgesetzt werden, denn es geht um weit mehr als den Bedarf der Industrieländer. Ebenso darf man kritisch anmerken, dass diese Maßnahmen vor acht Monaten ebenfalls richtig gewesen wären, dann wären wir heute möglicherweise in der Lage, die Daten Israels, die bald ein Viertel der Gesamtbevölkerung geimpft haben, mit Gelassenheit zu betrachten und für das zweite Halbjahr die Versorgung ärmerer Länder zu starten.

Wie man strategisch an das Thema herangeht, sehen wir einmal mehr in China – und wir dürfen davon ausgehen, dass sich solche Meldungen mehren. Dort werden im Januar alleine 50 Millionen Wanderarbeiter geimpft. Damit geht China sehr gezielt gegen die wesentlichen Ausbreitungswege der Epidemie vor. Das kann man sich natürlich auch dann leisten, wenn die Zahlen insgesamt so gering sind, dass man nicht die vulnerablen Gruppen zuerst schützen muss. Zudem exportiert China bereits Impfstoffe in Länder des Nahen Ostens sowie nach Afrika. Keine großen Mengen, vermutlich genug, um die Eliten in diesen Ländern zu impfen – auch dies eine strategische Maßnahme.

Damit zur kargen Wirklichkeit unserer Daten. In den letzten Analysen hatte ich zunächst die Berichterstattung über mehr als 1.000 Opfern pro Tag kritisiert, ein Beitrag, der in vielen Kreisen als Verharmlosung missverstanden wurde, obwohl ich befürchtet hatte, dass der 7-Tage-Wert möglicherweise die 800 überschreiten wird, was zu dem Zeitpunkt noch ein Horror-Wert war. Leider ist das aufgrund der Meldungen aus den letzten Tagen nun eingetreten, wir sehen hier traurige 840.

 

In meinen letzten Analysen hatte ich mich jedoch primär an den Daten aus den Kliniken orientiert, weil wir selbst bei den Sterbezahlen offensichtlich viele Nachmeldungen haben. Dabei war ich recht optimistisch, dass wir bei einem Wert um die 700 Sterbefällen im 7-Tage-Wert einen Peak sehen könnten. Ich will davon auch noch nicht abrücken, denn die Sterbefallzahlen sehen für mich statistisch immer noch gestört aus, ich vermute, dass man die nicht mehr korrekt auf das Sterbedatum auflösen kann. Vielleicht ist die oben gezeigte Kurve also in Wahrheit glatter und eher bei ca. 700 Fällen angelangt. Dies wird unterstützt durch die weiter erkennbare, sehr moderate Entspannung bei der Intensivbelegung.

 

Meine unten folgende „Behelfsrechnung“ mit dem täglichen Anstieg der Intensivbelastung zeigt ebenfalls weiter einen fallenden Trend. Das spricht unverändert dafür, dass wir mit dem Lockdown Mitte Dezember das Wachstum beenden konnten.

Ich erwarte daher, dass wir diesen Trend nun bald auch bei den Sterbezahlen sehen werden und zwar statistisch stabil irgendwo zwischen 700 und 800 pro Tag. Wie es danach weiter geht, lässt sich nicht sagen, denn das Geschehen der Weihnachtstage und des Jahreswechsels steht aus. Davon sehen wir in diesen Zahlen noch nichts – und in den gemeldeten Neuinfektionen ohnehin nicht. Die habe ich hier nicht mal erwähnt, das sind sie leider auch nicht wert.

Es könnte insofern sein, dass wir in den Kliniken nun gerade ein kurzes Atemholen erreichen, bis dann die „Aufräumarbeiten“ der Feiertage anstehen. Wollen wir hoffen, dass die meisten Familien den Aufrufen zur Mäßigung nachgekommen sind – und dass wir bald wieder mal so etwas wie nutzbare Testdaten bekommen, um nicht weiter mit solchen Mittelchen wie diesen hier hinterher zu spekulieren.

Denn das ist es leider, was ich hier tue: Eine a-posteriori-Spekulation!

 

 

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