Wie erwartet hat die G7-Gruppe ein Konzept für eine Mindeststeuer für Unternehmen beschlossen. Der Steuersatz soll zunächst 15 Prozent betragen. Die Einigung wurde vor allem durch die neue US-Regierung begünstigt, die das Konzept im Wahlprogramm hatte. Der deutsche Finanzminister und aktive Wahlkämpfer Scholz nutzt das gleichwohl zu einer eher „lauten“ Kommunikation und nutzt dabei seine Beteiligung am G7-Gipfel geschickt aus: Er spricht von einer „Steuerrevolution“, ohne zu erwähnen, dass sein Beitrag dabei gering ist und vor allem dass dies allenfalls der Beginn einer Revolution sein mag.
Zunächst muss die Idee nun in der größeren G20-Runde Gefallen finden. Sicher ist das nicht und die G7 alleine reichen wohl eher für eine erste sinnvolle Reform, keinesfalls für eine Revolution. Der jetzt beschlossene Steuersatz von 15 Prozent lässt für den G7-Geltungsbereich Einnahmen in Höhe von rund 50 Milliarden erwarten. Das ist für die in Rede stehenden Unternehmen keine wirkliche Belastung, es kann also wirklich nur der Anfang von einer fundamentalen Änderung sein.
Die oft zu lesende „Digitalsteuer“ ist das ohnehin nicht. Der Begriff soll nur ablenken von der Tatsache, dass insbesondere global agierende Unternehmen sich schon lange durch die Wahl von Firmensitzen und die geschickte Verteilung von Gewinnen in einem Geflecht von globalen Tochterunternehmen aus der Refinanzierung von Staaten zurückgezogen haben.
Diese Systematik basierte in den letzten Jahrzehnten letztlich auf der Rolle der Unternehmen als Arbeitgeber und Investor in Betriebsmittel. Dadurch schaffen Unternehmen die Existenzgrundlage für viele Millionen Familien weltweit und sind Nachfrager von Investitionsgütern in den Regionen, in denen sie größere Niederlassungen betreiben. Bei der Besteuerung des unternehmerischen Gewinns haben sich die Staaten hingegen einen ruinösen Dumpingwettbewerb erlaubt, der zu einem lächerlichen Aufkommen führt. Im Scholz´schen Deutschland etwa dümpelt die Körperschaftsteuer auf dem Niveau der Tabaksteuer. Ein Beitrag zur gesellschaftlichen Refinanzierung ist das nicht – nirgendwo auf der Welt.
Die erste Schieflage dieser Rollenverteilung ist durch einige global agierende Unternehmen entstanden, die sich durch eine enorme Rentabilität von der breiten Masse abheben. Das sind in der Tat die großen Digitalkonzerne, durchaus aber auch viele aus allen möglichen anderen Branchen wie Nahrungsmittel, Luxusartikel oder in besseren Zeiten auch die Autobauer. Es spielt ohnehin keine Rolle, welcher Branche ein Unternehmen angehört, diese Rendite muss aus zwei Gründen unbedingt besteuert werden: Erstens steigern diese unbesteuerten Erträge einseitig den Wert dieser Gesellschaften. Wenn Konzerne dreistellige Milliardenbeträge in Cash aufbauen können, dann ja auch deshalb, weil die Gewinne nicht abgeschöpft werden. Hier greift auch die Idee der deutschen Steuersystematik zunehmend in die Leere, denn deren Idee ist, die ausgeschütteten Gewinne bei den Aktionären zu besteuern.
Die meisten Unternehmen haben aber längst andere Verwendung für ihre Gewinne entwickelt: Sie reinvestieren die Erträge in den weiteren Aufbau ihres Geschäfts oder direkt in Aktienrückkäufe und steigern so auch ohne Ausschüttungen den Wert der Anteilsscheine. Das bleibt also bei der Gesellschaft und beim Aktionär bis zur Veräußerung steuerfrei. Ein Baustein für die Spreizung der Vermögensungleichheit.
Der wichtigere Grund für eine Reform, gerne auch eine Revolution der Besteuerung, liegt aber in der zukünftig zu erwartenden weiteren Automatisierungswelle durch Künstliche Intelligenz. Dazu wird bereits seit längerem von Experten eine „Robotersteuer“ empfohlen, wobei der Begriff falsch ist. Es ist eine Besteuerung des Gewinns der Unternehmen, egal, ob der durch hohe Automatisierung, durch eine Alleinstellung oder durch Besonderheiten des Geschäftsmodells entsteht. Denn: Wir sehen zunehmend eine Abkopplung von Ertrag und Personalstärke – ganz im Gegenteil erlaubt die moderne Technologie eine Ertragssteigerung gerade durch den Verzicht auf Personal.
Dieser neuen Entwicklung kann nicht früh genug begegnet werden. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Idee des neuen Konzepts, die Besteuerung zukünftig nicht mehr primär anhand des – beliebig gestaltbaren – Unternehmenssitzes, sondern anhand der Märkte, in denen es tätig ist. So muss zukünftig ein Unternehmen insbesondere in den Ländern Steuern zahlen, in denen es am Markt tätig ist.
Insofern ist die Konzeption dieser neuen Unternehmensbesteuerung tatsächlich eine wichtige Neuerung mit funktionierenden Antworten auf die Refinanzierung unserer Staaten in einer weiter globalisierten und digitalisierten Welt. Mehr als ein Anfang ist es jedoch nicht, dazu sind noch zu viele Probleme ungelöst: Die Gestaltbarkeit des Gewinns bleibt bestehen, wobei hier der Mechanismus der „Mindeststeuer“ etwas entgegen wirkt. Für einen durchschlagenden Erfolg muss ferner eine globale Lösung zumindest der größten Märkte entstehen. Schließlich wird man mit wachsender Automatisierung der bisherigen Form der Gewinnermittlung nicht alleine mit einer Mindeststeuer beikommen. Dazu sind die konzerninternen Verrechnungen mit Tochergesellschaften viel zu kreativ. Das derzeit erwartete sehr geringe Steueraufkommen signalisiert das bereits.
Gleichwohl ist das eine sehr vielversprechende Entwicklung, der man zu Zeiten der Präsidentschaft Trumps keinen so schnellen Durchbruch zugetraut hätte. Die Richtung stimmt und das ist für dieses zähe Thema bereits ein Erfolg.