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Pflichtversicherung – die Überforderung der Politik mit komplexeren Fragestellungen

Die Überforderung der Politik mit komplexeren Fragestellungen wird am Beispiel der nun diskutierten Hilfen für die Flutopfer sowie der Debatte über die Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden sehr gut erkennbar.
Zuletzt wurden die möglichen staatlichen Entschädigungen für Naturkatastrophen politisch eher eingeschränkt. Ausgangspunkt war die Überlegung, dass die Erwartung auf staatliche Entschädigung Fehlanreize erzeugen könne. Warum eine teure Versicherung, wenn im Schadensfall die Allgemeinheit kostenlos eintritt, so die – nicht unberechtigte – Befürchtung.
Nun tritt aber eine Katastrophe neuer Größenordnung ein und es ist Wahlkampf. Niemand wird bestreiten, dass die Solidargemeinschaft angesichts dieser existenziellen Not einspringen muss. Dennoch wäre es aufrichtig, wenn die Politiker ihre erst vor wenigen Jahren anders lautende Gesetzgebung nicht so stillschweigend einkassierten. Noch wichtiger wäre es, neben den nun angesichts der Größe der Schäden angemessenen Entschädigungsleistungen auch auf eine zukünftig bessere als die gerade gescheiterte Regelung einzugehen. Immerhin hatten wir das Thema ja schon mal bei der großen Flut in Ostdeutschland. Dazu hören wir nur: Pflichtversicherung!
Klingt plausibel, wir machen die Solidargemeinschaft per Versicherung für alle schon vor den Schäden klar, regeln das privatwirtschaftlich und dann muss über Art und Höhe von Schadensersatz zukünftig nicht mehr geredet werden. Dass es keineswegs so einfach ist, zeigt ein WiWo-Beitrag sehr gut – hier sind sich die Fachleute denkbar uneinig und zwar jeweils mit sehr guten Argumenten.
Zunächst ist klar, dass eine Pflichtversicherung zugleich mit einer Versicherungspflicht zu verbinden wäre, denn keineswegs für jedes Objekt wird heute eine Elementarversicherung angeboten. In Regionen mit regelmäßigen Schadensereignissen gibt es bisher kein Angebot. Das müsste also per Gesetz festgelegt werden.
Damit wird das eigentliche Problem sofort sichtbar: Wer zahlt welchen Beitrag?
Bei einer anderen Pflichtversicherung, der für öffentlich zugelassene Fahrzeuge, haben wir ein System, das die persönlichen Risiken beim Beitrag berücksichtigt und dass diese im Rahmen eines Wettbewerbs zwischen den Versicherern preislich beziffert. Damit sollen Anreize geschaffen werden, Unfälle zu vermeiden und zugleich der Schadenersatz, wenn es doch passiert, gewährleistet sein.
Wenn man das nun aber auf die Gebäude überträgt, werden in bestimmten Regionen die Versicherungen unbezahlbar – vor allem dort, wo sie heute gar nicht angeboten werden. Es ist zudem zu erwarten, dass die Versicherer nach diesem Ereignis ihre Risikogebiete ausweiten und auch die Höhe der Schäden neu kalkulieren werden.
Gerade die Balance zwischen der Berücksichtigung der individuellen Risiken und der Bezahlbarkeit einer Pflichtversicherung dürfte sehr schwierig werden. Andererseits wäre es natürlich ein Fehlanreiz, die Risiken pauschal umzulegen, also Einheitstarife vorzuschreiben. Das würde jede Prävention, sich zu überlegen, wo man überhaupt ein Haus errichtet und welche Schutzmaßnahmen beispielsweise gegen Hochwasser man ergreift, unattraktiv machen.
Damit wird unmittelbar die entscheidende Frage berührt, die der Staat nicht so einfach privatisieren kann: Wer verantwortet die Freigabe von Siedlungsgebieten und die zu deren Schutz erforderlichen übergeordneten präventiven Maßnahmen? Keinesfalls darf eine Pflichtversicherung dazu führen, dass der Staat selbst sich seiner Verantwortung entzieht. Das klingt aber leider bei einigen dieser Pläne ein wenig durch und es könnte unmittelbare Folge dieser wohlklingenden privatwirtschaftlichen Lösung sein.
Die Politik wird sich der Komplexität der Frage hoffentlich stellen. Das wird auch deshalb erforderlich, weil es natürlich auch gewaltige Schäden an den öffentlichen Liegenschaften und Infrastrukturen gibt. Die werden ohnehin zulasten der Allgemeinheit gehen und auch das ist für die Zukunft keine Selbstverständlichkeit, denn die Planung dieser Einrichtungen liegt in lokaler Verantwortung und die braucht Anreize, mehr Prävention zu betreiben. Dieses Thema fällt aktuell sträflich unter den Tisch, denn es wird überall vom Wiederaufbau gesprochen. Es kann aber gar nicht darum gehen, alles so wieder aufzubauen, wie es war – ohne neue Konzepte für Schutz gegen Extremwetterlagen. Das darf aber nicht nur ein nett formulierter Wunsch sein, es muss mit klaren Anreizen verbunden sein.
Eine Pflichtversicherung für alle wäre das Gegenteil. Man erkennt an diesem Beispiel also die Komplexität von Anreizsystemen. Darüber sollte nun gesprochen werden, denn gerade solche Ereignisse werden zunehmen. Die Formel, wir helfen jetzt mal mit Steuermitteln und privatisieren das Thema zukünftig an die Versicherungswirtschaft, wird dem Problem nicht gerecht.
Wie tatsächlich hart diese Fragestellungen sind, sieht man natürlich an den Risikobeiträgen, die für bestimmte Lagen zu zahlen wären. Denn hier muss man in der Tat fragen: Sollten dort Häuser stehen? Sollten dort zerstörte Häuser wieder errichtet werden?
Auch diese schmerzhaften Fragen liegen auf dem Tisch. Die Versicherer werden sie stellen, denn in den kalkulierten Tarifen kommen sie zum Ausdruck. Die Politik wird das Thema also nicht so einfach los – das ist gut so.

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