Binnen weniger Wochen implodiert eine über 20 Jahre aufrecht erhaltene „Strategie“, die bereits bei ihrer Geburt zum Scheitern verurteilt war.
Der amtierende Präsident Biden verteidigt seine Abzugsentscheidung kühl und nüchtern. In der Sache sei kein Erfolg möglich, er habe dem im US-Interesse ein Ende zu setzen. Wenn man seine Aussagen zwischen den Zeilen liest, sagt er recht klar, dass diese Beurteilung nicht neu ist, dass es also niemals eine Erfolgschance gab.
Der Hintergrund ist aber vor allem eine Neubewertung der US-Interessen- und Außenpolitik, die bereits unter Obama begann, durch Trump – teilweise etwas tölpelhaft – fortgesetzt wurde und nun von Biden aufgegriffen wird. Es ist eine kontinuierliche Rücknahme der militärisch dominierten Machtpolitik und vor allem eine Neubewertung der geostrategisch relevanten Regionen.
Nach neuer Lesart bestehen von Syrien bis Afghanistan keine relevanten Interessen der USA. Die düpierten Europäer erkennen nun nicht nur, dass die USA sich aus diesen einst in ihrem Fokus stehen Regionen konsequent zurückziehen, sie lassen die damals um Beistand gebetenen Europäer nun mit dem Thema genauso alleine wie ihre regionalen Ex-Verbündeten. Damit werden Syrien, Afghanistan & Co unmittelbar zu einem europäischen Problem, für das nun keinerlei Lösung erkennbar ist.
Was sich vor den südöstlichen Toren Europas nun zusammenbrauen wird, ist vollkommen offen. Wachsender Einfluss Russlands ist wahrscheinlich und was das für den Nato-Zipfel Türkei bedeutet, ist ebenfalls nicht absehbar. Ebenso darf man erwarten, dass das Migrationsthema vor einem neuen Schub steht. Auch dafür hat Europa keine Lösung. Das ist vor allem deshalb sehr bedauerlich, weil diese Entwicklung bereits seit Obama absehbar war.
Ein besonderes Bonmot ist der ein Beitrag der Deutschen Welle, die tatsächlich ein Exklusivinterview (!) des das Desaster verantwortenden Ex-Präsidenten Bush erhalten hat. In diesem überraschenden Kanal äußert Bush sich kritisch zum Abzug und begründet dies tränenreich mit den Folgen für die Bevölkerung, namentlich der Mädchen und Frauen, zu denen er uns seine Frau so viel Kontakt gehabt hätten.
Angesichts seiner persönlichen Verantwortung und der tatsächlichen Tragödie, die sich daraus ergeben hat, liest sich das einfach nur wie ein widerliches Stück blanken Hohns. Offensichtlich hat Bush dafür in den USA keine Bühne bekommen, die DW musste die erst recht nicht bieten, so kritiklos schon gar nicht.
Geopolitik ist ein hässliches Spiel, das mit dem Auftritt von China auf der Bühne und dem Wiedererwachen der Ex-„Supermacht“ Russland keine Besserung verspricht. Auch in diesem Kontext betrachtet man das Personalangebot unser kommenden Richtungswahl mit keinem Spontananfall an Optimismus. Aber wir werden trotzdem über Lebensläufe, drittklassige Bücher und Currywürste zu unserer Entscheidung finden (müssen).