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Die Angst vor dem „Linksrutsch“ lenkt nur von dem eigentlichen Problem ab

Deutschland sollte keine Angst vor einem „Linksrutsch“, sondern vor der wirtschaftspolitischen Inkompetenz aller Parteien haben. CDU und SPD liefern nur die konservative bzw. sozialdemokratische Quadratur des Kreises, im Volksmund auch, „wasch mich, aber mach mich nicht nass“ genannt. FDP und Grüne haben kompetente Köpfe in die Hinterbank oder aus ihren Reihen verloren. Bei der FDP waren die zu „links“, bei den Grünen zu „neoliberal“. So bietet die FDP heute 80er Ordoliberalismus und die Grünen, auch wenn sie das nicht hören wollen und es mit dem Etikett der „Verbotspartei“ bezogen auf deren Umwelt-Programm genau falsch adressiert ist, ihren alten Dirigismus.
Zugleich sitzen in Europäischen Regierungen teilweise hoch kompetente Leute. Draghi hat bei uns vollkommen zu Unrecht eine schlechte Reputation, er ist ein sehr kluger Kopf, mit dem man reden und umsetzen kann und sollte. Macron war früher lange Zeit selbst Wirtschaftsberater in der Politik, er hat um sich einen Kreis renommierter Berater um Pisani-Ferry, ein ebenfalls sehr kluger Kopf. In Washington sitzt mit Yellen eine Wirtschaftsprofessorin von Rang sogar selbst im Amt.
Diesen Kreisen gemein ist, dass sie sich von den alten Zöpfen der ökonomischen Modelle der Nachkriegsordnung gelöst haben. Sie nehmen zumindest die Änderungen von Globalisierung, Digitalisierung und moderner Geldpolitik wahr und suchen nach Antworten darauf.
Wir können nur hoffen, dass wir ein Dreierbündnis bekommen, das aus seiner wirtschaftspolitischen Unvereinbarkeit heraus nach neuen Antworten sucht. Ein Mangel an Expertise ist in Deutschland nicht das Problem. Leider hat die Politik diese aber nicht nachgefragt. Das liegt auch an der Fehlkonstruktion des Rates der sogenannten „Wirtschaftsweisen“, die gerade wegen der Berufung durch die Interessengruppen leider nur vorhandene Wege vertiefen. Wer eine neue Linie vertritt, hat da bereits keine Chance mehr.
Aufgrund der starken Rolle der deutschen Volkswirtschaft für Europa ist die ökonomische Inkompetenz in der deutschen Politik ein Problem über unsere Grenzen hinaus. Das liegt auch an der Wahrnehmung unserer Gesellschaft, die aus dem Erfolg unserer Volkswirtschaft immer geschlossen hat, eine kompetente Politik gehöre wohl dazu.
Tatsächlich hat die deutsche Wirtschaft sich jenseits der deutschen Wirtschaftspolitik auf den Weltmärkten gut entwickelt. Das größte Verdienst der Regierungen Merkel mag wohl gewesen sein, dabei nicht zu sehr gestört zu haben.
Nun aber ist das europäische Projekt die Herausforderung. Dazu braucht es viel mehr Kompetenz gerade in Berlin. Das Vakuum dort ist unser Problem, nicht dessen Farbe.

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