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Die Krisenpolitik ist zum Weglaufen

Die derzeitigen Pressekonferenzen der führenden Gesundheits-Funktionäre sind für einigermaßen Informierte nur noch zum Weglaufen. Stiko-Chef Mertens sagt, man überlege, ob die Booster-Impfung auch für unter 70jährige empfohlen werde. KBV-Chef Gassen behauptet, die Hausärzte könnten die erforderlichen Drittimpfungen stemmen, Impfzentren brauche niemand. Vor zwei Wochen hatte derselbe erklärt, die Pandemie ende im November. RKI-Chef Wieler warnt vor einer neuen Welle in den Altenheimen. Der Impfschutz lasse nach sechs Monaten stark nach. Gesundheitsminister Spahn erklärt, seine Aussagen zum Ende der pandemischen Lage seien vollkommen falsch gedeutet worden, die Pandemie sei keinesfalls vorbei und die Sache mit dem Boostern möglicherweise doch breiter erforderlich, denn man müsse eine ähnliche Entwicklung wie in Israel erkennen.
Na denn, Israel also. Konnte ja keiner wissen. Außer denen, die sich informieren, versteht sich. Da die Sache mit den Kapazitäten der Hausärzte vorsichtig formuliert unklar ist, die von der Stiko definierten Rahmenbedingungen dort zu sehr unterschiedlicher Bereitschaft führen, die Impfzentren sich gerade im Abbau befinden und niemand mit den Herstellern über Liefermengen spricht, wollen wir mal sehen, ob wir die Sache mit der Mangelwirtschaft aus dem Frühjahr vielleicht auch noch mal hinbekommen.
Was soll´s, wir haben offensichtlich Zeit und es macht absolut Sinn, bei uns im Feld genauer festzustellen, ob wir tatsächlich dasselbe Virus wie die Israelis haben. Warum sollten wir deren Erkenntnisse aus dem Sommer bis zu unserem Winter nutzen, wo kämen wir denn ohne eigene Daten und Erkenntnisse hin.
Es ist nicht nur das Missmanagement, welches Folgen hat. Leider erlauben diese Funktionäre sich auch noch, dauernd live über ihr selbst errichtetes Chaos zu schwatzen. Kommunikation ist in der Krise die Hälfte des Erfolgs, nachzulesen bei Winston Churchill. Bei uns ist es die Hälfte des Misserfolgs. Die pandemische Kakophonie in den Medien und der Öffentlichkeit geht von solchen Funktionären aus. Eine Gesellschaft kann kaum eine einigermaßen einheitliche Meinung oder Bewertung finden, wenn ihre politisch/administrative Führung so einen Misthaufen inszeniert.
Es ist zum Weglaufen und niemand aus unserer Gesellschaft kann es denen verübeln, die es tun: Dort, wo dieses Versagen seinen traurigen Höhepunkt erreicht, auf den Intensivstationen, geht die Bereitschaft zurück, den Besenwagen der Gesellschaft zu bedienen.
Dazu hört man in Talkshows arrogante Hinweise, der Staat müsse halt dafür sorgen, dass da noch viel mehr Leute „zur Verfügung“ stehen und in einschlägigen Foren wird immer noch behauptet, es gebe viel mehr freie Betten. Nota bene: Betten, die ohnehin nur dokumentieren, dass wir es nicht besser hinbekommen haben. Eine Bettenzahl, die niemals zum heiligen Gral des Erfolgs hätte erhoben werden dürfen – und immer noch wird die Steigerung dieser „Kapazität“ verlangt. Auch diese hässlichen Fratzen unserer Debatte werden kaum dazu führen, dass der Exodus dort endet oder gar mehr Menschen bereit sind, da zu arbeiten, wo ein Elend seinen Höhe- und nicht selten Endpunkt erreicht, das es in dem Maße niemals hätte geben dürfen.
Ich kann es sehr gut nachvollziehen. Nach 1-1/2 Jahren der Schreiberei über dieses Thema habe ich einen für mich untypischen Sarkasmus entwickelt, der schon einer inneren Kündigung ähnelt. Leider kann man es nur so noch aushalten, das überhaupt weiter zu kommentieren.

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