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Die Energiepolitik und die Wirklichkeit

Wenn man an der Energiefront unterwegs ist, trifft man sie. Die Unternehmer, die sich von ihren Versorgern eigene Blockheizkraftwerke haben empfehlen lassen und nun mit ihrer kompletten Energie am Gas hängen. Denen gesagt wird, dass es keinen raschen Rückweg zum Strom gibt, weil die Strommenge im lokalen Netz nicht verfügbar ist. Die Stadtwerke, deren Netz schon seit Jahrzehnten auf Kante genäht ist und die weder weitere Wärmepumpen, noch großzügige Ladestationen für E-Autos genehmigen können. Die Regionen, denen alleine an Zuleitung die Kapazität fehlt, um durch Elektrifizierung Gas oder gar weitere fossile Brennstoffe zu substituieren. Die Lokalpolitiker, die den Druck von Unternehmen und Bürgern spüren, sich aber zuerst mal einarbeiten müssen, mit welchen Regularien und Zuständigkeiten sie zu tun haben, die mit ihren eigenen Behörden, neben- und übergeordneten zurecht zu kommen haben.
Wenn man selbst Wind- und PV-Parks baut, weiß man, was man damit alles leisten kann – und was nicht. Man spricht mit den Betroffen, zeigt die Potenziale auf, wenn man mitten in diesen regionalen Defiziten eine eigene Energieproduktion errichtet. Man spricht mit vielen Akteuren, die alle wollen, aber ihre Interessen nur mühsam vereinen können und oft dann doch nicht dürfen, weil der Dschungel der Regulierung so etwas bisher gar nicht vorgesehen hat.
Wenn man das große Bild einigermaßen kennt, weiß man schon lange, dass der gleichzeitige Ausstieg aus Kern- und Kohlekraft bei zugleich verzögertem Ausbau von Erneuerbaren, Netzen und Speichern kein anderes Ergebnis kennen konnte, als eine Abhängigkeit von Erdgas auch in der Stromproduktion. Ausgerechnet Preis- und Versorgungsprobleme beim Erdgas sind der perfekte Auslöser, dieses Kartenhaus ins Wanken zu bringen. Die Komplexität des selbst geschaffenen Problems ist so groß, dass es nun keine simplen und gewiss keine schnellen Lösungen gibt.
Da ist es besonders schmerzhaft, an der Front zu sitzen und zumindest lokal die Lösungen anbieten zu können, diese aber nicht so einfach umsetzen zu dürfen. Immer noch dauert es wesentlich Länger, sich auf die Lösung zu einigen, als sie anschließend zu realisieren. Das ist die Wirklichkeit, die eine Mischung aus Aufbruchswillen und Frust über die Barrieren in den Gesprächen an der Front prägt. Allen wirklich mit der Sache Befassten gemein ist eine gewisse Ratlosigkeit über die Spitzenpolitik, die glaubt, sich in der Situation am Betrieb einiger Kernkraftwerke abarbeiten zu dürfen.
Zugleich werden diese lokalen Initiativen endlich eine Änderung bewirken, da bin ich ganz sicher. Diese Front wird nicht lokal bleiben. Tausende Unternehmer sind nicht mehr bereit, ihre Energieversorgung einfach zu delegieren und an die Ergebnisse einer nicht greifbaren Energiepolitik zu glauben. Millionen privater Haushalte folgen ihnen in dieser Denkweise. Auch die Bürger haben erkannt, dass der Strom eben nicht aus der Steckdose kommt, sondern da zuerst mal rein muss. Wer kann, will sich auch als Haushalt mit eigener Energieversorgung beschäftigen. Wer das nicht kann, will zunehmend wissen, wie – und wo – das für ihn erledigt wird.
Hoffentlich erkennt die Mehrheit, dass es keine einfachen Lösungen gibt. Die Fortsetzung mit fossilen Brennstoffen ist nicht nur ökologisch unmöglich, sie ist erkennbar auch ökonomisch und politisch eine Sackgasse. Das Problem ist aber auch weder lösbar, indem man tausende Windkraftanlagen und Solarpanels dazu baut, noch kann ein Dutzend Kernkraftwerke das erledigen. Es genügt nicht, über die Produktion von Energie zu sprechen, wir müssen ihre Verschwendung abstellen, ihre Verwendung optimieren, ihre Verteilung verbessern und auch ihre Speicherung ermöglichen. Niemand löst diese Defizite im Gesamtsystem, indem dafür wie in den letzten 50 Jahren einfach immer mehr Primärenergie organisiert wird.
Die Produktion und die Energiequellen sind gewiss ein wichtiges Thema, aber sie sind weder das einzige, noch das alleine eine Lösung versprechende. Momentan bilden sich drei Narrative, mit denen einfacher Stimmenfang betrieben wird. Narrativ eins: Wir kaufen wieder billiges Gas. Narrativ zwei: Wir bauen Atomkraftwerke. Narrativ drei: Wir bauen mehr Windkraftanlagen.
Davon funktioniert keins. Das sollten wir erkennen

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