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Lesenswertes ZEIT-Interview mit Catherine Belton

Nicht neu für jeden, der schlicht den Werdegang Putins im KGB als relevant gesehen hatte. Dienste wie der KGB und auch die Stasi verschwinden nicht einfach, zumal dann nicht, wenn es versäumt wird, ihre Netzwerke aktiv zu zerschlagen. Der Aufstieg Putins sollte seit seiner Tätigkeit in Deutschland ab Mitte der 80er gesehen werden. Dann kann man sich weder über ein System von Seilschaften und Netzwerken wundern, noch über seine Agenda. Die imperialistischen Ziele und die zutiefst antidemokratische Denkweise sind daraus erklärbar, die Arbeitsweise und Struktur seines Systems ebenfalls.
Wichtig ist in dem Zusammenhang, zu erkennen, dass diese Strukturen keineswegs auf Russland begrenzt sind, sondern weltweit existieren – also auch bei uns tief in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft reichen. Bei jedem Büttel, der Keml-Interessen bei uns mehr oder weniger offen vertritt, sei es nur durch Weitergabe seiner Narrative, sollten wir diese Zusammenhänge sehen. Nicht jeder wird dafür bezahlt, aber letztlich steht irgendwo in der Kette von Desinformationen oder konkreter Agitation dann doch einer, der für nichts anderes als gezielte Destabiliserung vergütet wird und das sehr professionell betreibt.
Es gibt in diesem Russland keine freie Presse und auch keine freien Unternehmer. Nachrichten, die von dort kommen, sind genauso gesteuert wie die Wirtschaftsbeziehungen und sie verfolgen einen Masterplan, der nicht mit unseren Interessen vereinbar ist. Deshalb ist nicht jede Nachricht gelogen und nicht jedes Geschäft unfair, so stumpf funktioniert das natürlich nicht – aber der Plan dahinter ist hinterlistig. So lange das so ist, liegt auch keine Handelsbeziehung mit Russland in unserem Interesse, die irgendwelche Abhängigkeiten zur Folge hat.
Dass deren Auflösung nun teuer wird, ist ein Preis, der zu bezahlen ist und dessen Ursachen in der Vergangenheit zu suchen sind. Es macht keinen Sinn, Fehler fortsetzen zu wollen, auch nicht mit dem Argument, das sei billiger. Was es zudem ganz sicher nicht ist, denn die Folgekosten werden nur noch weiter steigen.
Die Wirkung und Ausprägung der Sanktionen sollten zweifellos weiter kritisch diskutiert werden, wirtschaftliche Abhängigkeiten zu diesem Russland aber ganz sicher nicht und von westlicher Technologie müssen wir diesen Apparat ebenso abschneiden. Das kann daher auch nicht ohne alle Nachteile eines Wirtschaftskriegs ablaufen. Inklusive der vielen globalen Trittbrettfahrer und Nutznießer, die es dabei immer geben wird. Auch das gilt es soweit möglich einzudämmen, aber das kann nur eingeschränkt gelingen. Deals, die nicht in unserem Interesse liegen, machen wir nicht deshalb, weil China sie vielleicht macht. Wir können nur daran arbeiten, dass sie auch nicht im Interesse Chinas liegen – aber mehr geht halt nicht.
Wir bewegen uns auf einen Weltwirtschaftskrieg zu, das ist leider nicht anders zu nennen. Den kann man nicht „einfrieren“ oder sich weg ducken, den muss man leider führen. Über das „wie“ ist zu reden, das ist unstrittig. Aber eine Rückkehr zu früheren Verhältnissen, die es so gar nicht gegeben hat, wie viele es heute gerne darstellen, ist weder möglich, noch erstrebenswert. Die globalen Handelsbeziehungen sind durch geostrategische Streitfragen gestört. Die Globalisierung kann und darf nicht gestoppt werden, aber sie ist neu zu justieren. Das wird teuer und jeder simple Versuch, es billiger zu machen, wird noch teurer.

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