Wir brauchen dringend einen anderen Umgang der Politik mit Öffentlichkeit und die Öffentlichkeit muss noch dringender anders mit Politik umgehen.
Warum gibt es inzwischen kein noch so simples Thema mehr, das wir einigermaßen sachgerecht diskutieren können? Was zur Gasumlage von Teilen der Politik kommuniziert wird, ist nur billige eigene Agenda und der Blödsinn, der sich in der Öffentlichkeit ausbreitet, nicht mehr nachvollziehbar. So schwierig ist das nun wirklich nicht!
Die Gasumlage ist ein grundsätzlich sehr sinnvolles und klug gedachtes, leider aber nicht gemachtes Instrument. Sie ist keine Abgabe, Zusatzbelastung oder „Strafe“, sondern eine Umlage. Die Absicht ist, die Preissteigerungen beim Gas auf alle Gaskunden zu verteilen – also umzulegen. So werden diejenigen unterstützt, die – weil unverschuldet – halt zufällig direkt oder indirekt von einem Lieferanten bedient werden, der sein Gas in größerer Menge neu, also deutlich teurer einkaufen muss. Diejenigen, deren Lieferant noch länger laufende und funktionierende Lieferverträge mit alten Preisen hat, müssen dafür mehr zahlen. Da niemand im Gasmarkt absichtlich den einen oder anderen Lieferanten anhand dessen Lieferbeziehungen gewählt hat, also die Situation nicht wissentlich so oder so ausgelöst wurde, ist so eine Verteilung der Lasten fair und angemessen. Man kann nicht den einen Verbraucher aufgrund von Zufällen mit alten Preisen beliefern lassen und andere mit einer Verzehnfachung der Preise – das ist nämlich der Stand der Spotmärkte, an denen nun teilweise beschafft werden muss! – untergehen lassen. Wer gegen die Umlage ist, soll bitte dazu sagen, was die Konsequenz wäre, lieber Herr Spahn!
Dass zugleich auch die Allgemeinheit die Folgen dieser Krise schultert, ist ebenso vollkommen richtig. Das passiert durch die staatlichen Maßnahmen bei Uniper und Gazprom Germania aber bereits, es wird durch den Steuerzahler finanziert und es ist der größere Teil der Maßnahmen. Hinzu kommt das ohnehin allerwichtigste, was mal wieder in der gesamten Debatte untergeht: Die direkte finanzielle Unterstützung finanzschwacher Haushalte für alle Herausforderungen dieser Krise, von den Energiepreisen bis zu den allgemeinen Verbraucherpreisen. Auch das wird der Steuerzahler zu leisten haben, es wird nochmals dessen Anteil erhöhen und das ist richtig so.
Die Sache mit den Gaspreisen aber komplett der Allgemeinheit zu überlassen, wäre aus meiner Sicht nicht richtig und auch von der Lenkungswirkung fraglich. Die hohen Preise müssen schon auch da wirken, wo sie mit verursacht werden, also beim Verbrauch. Nicht zu übersehen ist dabei, dass wir hier nur zu etwas mehr als einem Drittel von Haushalten reden, das meiste geht in Industrie und Gewerbe. Die Preise müssen also zum Verbraucher und es ist einfach nur fair, sie unter diesen auszugleichen, sie also umzulegen. Es ist keine zusätzliche Abgabe und sie nutzt zudem den Verbrauchern, deren Preise sonst noch weiter steigen würden.
Aber die Umlage muss auch so gemacht werden, wie sie gedacht ist. Wie bereits bei den Staatshilfen bei Uniper&Co besteht grundsätzlich die Gefahr, dass diese hohen mobilisierten Mittel an den Gasmärkten preistreibend wirken. Das ist unbedingt zu verhindern. Dazu müssen Instrumente vorgesehen werden, die es für die Einkäufer von Gas interessant machen, hart um bessere Preise zu verhandeln, statt die einfach zu den Kunden durch zu reichen und dabei ggf. sogar eigene Marge zu machen. Ferner ist schon aus Gründen der Fairness und auch der langfristigen Lenkungswirkung zu verhindern, dass Unternehmen in guten Zeiten mit einem Geschäftsmodell Gewinne erzielen, um dann in schlechten durch staatliche Hilfen Verluste zu vermeiden. Beides erfordert, dass es viel besser und klarer formulierte Auflagen für den Erhalt der Umlage geben muss, denn sonst dient die eben nicht mehr der Preismilderung von Endkunden, sondern der Stützung von Unternehmen und schlimmstenfalls treibt sie noch den Preis.
Bisher vorgesehen ist eine Kompensation der Defizite zwischen Gaseinkauf und Verkauf mit einer Eigenbeteiligung der Unternehmen von 10%. Das reicht nicht. Richtig wäre, es auf einen reinen Insolvenzschutz zu begrenzen, das hatte ich vorgestern schon so formuliert. Unternehmen müssten also sowohl Rücklagen aus der Vergangenheit als auch Erträge aus anderen Geschäften zunächst mal einsetzen, bevor sie die Umlage in Anspruch nehmen. Mehr noch, es wäre der Insolvenzfall sogar nachzuweisen, bevor das in Frage kommt. Zudem müssen die Unternehmen m.E. nachweisen, dass sie die erhaltene Umlage an die Verbraucher weiter geben.
Es sollte möglich sein, das Gesetz entsprechend nachzubessern und ebenso sollte es gelingen, seine Sinnhaftigkeit endlich richtig zu erklären. Warum die Ampel das nicht intern schafft und die Öffentlichkeit entsprechend informiert, ist leider wohl eine Art der Entscheidungsfindung in dieser Koalition. Gut ist das nicht. So wird nun öffentlich von den Regierungsparteien genau diese Nachbesserung diskutiert. Ein richtiger Vorgang innerhalb einer Regierungskoalition – am Kabinettstisch, nicht vor Mikrofonen.
Leider versagt die Opposition politisch genauso. Denn die drohende Insolvenzwelle in der Gasversorgung mit hunderten Stadtwerken und Millionen Endkunden am Schluss der Kette ist nicht vom Tisch. Ebenso ist nicht vom Tisch, dass ohne eine Regelung eine komplett asymmetrische Reaktion der Gaspreise bei den Verbrauchern droht, was hier ebenfalls massenweise Insolvenzen bedeuten würde. Der eine spürt nichts, der nächste wenig, der dritte eine Vervielfachung – wie soll das gehen?
Wenn in der Situation eine Opposition ein solches Gesetz ersatzlos scheitern lassen möchte, hat sie entweder nichts verstanden – bei Spahn vielleicht sogar denkbar – oder es interessiert sie nicht, an einer Lösung mitzuwirken. Es kann politisch angemessen sein, dass eine Opposition Regierungsarbeit einfach nur torpediert, zurück weist und verlangt, die Regierung solle halt was besseres vorlegen. In einer Krisensituation, die keine Zeit für solche Scharaden erlaubt, geht das gar nicht.
Wir sollten öffentlich nicht auf diese sowohl von den Regierungsparteien als auch von der Opposition vorgelegte Art einer Debatte eingehen. Es geht um eine Lösung und die sollte durch eine Nachbesserung der grundsätzlich richtig konzipierten Umlage möglich sein. Man kann sicher auch über ganz andere Konzepte nachdenken, aber dann gehören die dazu. Wir kommen durch diese Krisen nicht durch eine allgemeine „ich will nicht“ Denkweise.