gaszähler

Wenn Zahlen nicht sprechen, sondern schreien

Immer noch wird die sogenannte Gaspreisbremse zu wenig verstanden: Es ist eine Subvention, keine Preisbremse. Versorger müssen ihren Kunden für 80% des Vorjahresverbrauchs denselben Preis berechnen, nur darüber hinausgehende Mengen dürfen neu bepreist werden. Die Differenz des so anteilig fixierten zum „tatsächlichen“ Preis holt sich der Versorger vom Staat. Die neuen Preise werden also nicht „gebremst“, sondern einfach nur anteilig vom Verbraucher und vom Steuerzahler bezahlt. Die Gefahr: Es ist für die Versorger nun verlockend, die Preise besonders stark anzuheben, denn der allergrößte Teil davon, wegen der Sparreaktionen der Verbraucher in vielen Fällen sogar der komplette Teil der neuen Preise wird schließlich nicht vom dies kritisch prüfenden Verbraucher, sondern vom sich selbst dazu verpflichteten Steuerzahler beglichen.
Um daraus keinen preistreibenden Selbstbedienungsladen zulasten der Steuerzahler zu machen, der letztlich also sogar inflationstreibend sein könnte, hat der Gesetzgeber festgelegt, dass die Preiserhöhungen nur aufgrund erhöhter Beschaffungskosten vorzunehmen sind. Klingt ganz wunderbar, ist es erfahrungsgemäß aber nicht. Das sieht man in anderen Sektoren, in denen es solche staatlichen Preiseingriffe, bei denen also Endpreise durch bestimmte Kosten zu begründen sind, bereits gibt. So gilt das beispielsweise wegen der immer noch vorliegenden partiellen Monopolstellung für die Durchleitungspreise der Telekom, die diese anderen Telekommunikationsanbietern berechnet. Das übliche Verfahren für solche Preisregulierungen ist: Es wird eine staatliche Stelle geschaffen, die aktiv solche Preise zu genehmigen hat. Der oder die regulierten Anbieter müssen ihre Preise also entsprechend der gesetzlichen Grundlagen begründen und dafür eine Genehmigung einholen. Liegt diese nicht vor, gelten die alten Preise. Typischerweise gibt es bei solchen Verfahren dann auch Einspruchs- oder Mitspracherechte Dritter, beispielsweise der Wettbewerber oder der Kundenseite. Dafür wurde in Deutschland mal die Netzagentur geschaffen, eine inzwischen größere Behörde mit dafür geschulten Experten.
Es ist sehr erstaunlich, dass bei dem Wummspaket namens Gaspreisbremse die bereits im Gasmarkt aktive Netzagentur nun keine Rolle spielt, um die oben genannte „Festlegung“, die Preise dürften nur aufgrund steigender „Beschaffungskosten“ angehoben werden, zu prüfen bzw. zu genehmigen. Vielmehr wurde die Aufgabe an das Bundeskartellamt vergeben und das hat bereits früh klar gemacht, es könne in der Sache keine Genehmigungsprozesse abwickeln, sondern wie in der Behörde üblich nur nachträglich und zudem im „ausreichend begründeten Verdachtsfall“ eine Prüfung vornehmen. Bei festgestellten Verstößen „droht“ den Versorgern, dass sie zu viel erhaltene Subventionen erstatten müssen sowie „auch“ eine Geldbuße.
Es gibt in Deutschland 1.500 Gasversorger mit 40 Millionen Gasverträgen. Das Kartellamt hat für die oben beschriebene Aufsicht eine neue Abteilung mit 9 (in Worten: Neun) bereits vorhandenen Mitarbeitern aufgestellt. Dass diese bisher im Gasmarkt tätig waren, darf man bezweifeln. Im Zusammenhang mit der Gaspreisbremse wurden 18,5 neue Mitarbeiter seitens des Gesetzgebers vorgesehen. Da der Haushalt 2023 aber bereits beschlossen war, können diese verwaltungstechnisch erst 2024 eingerichtet werden. „Eingerichtet“ heißt übrigens nicht verfügbar, sondern nur, dass die Personalsuche dann beginnen kann.
Man darf davon ausgehen, dass den Gasversorgern diese Zahlen ebenfalls bekannt sind und dass sie die ihnen von dieser Kontrollinstanz drohen Risiken entsprechend bewerten. Aber eines ist auch klar: Über den – natürlich vollkommen unwahrscheinlichen – Fall des Subventionsbetrugs werden wir vor 2025 nichts hören und die Zahl der – ich wiederhole: natürlich vollkommen unwahrscheinlichen – Fälle wird auch sehr klein sein. Da nach bisherigem Plan die Gaspreisbremse im April 2024, also zeitnah zur Bereitstellung dieser Armada an Prüfern, enden soll, sind größere Zweifel an dieser Einschätzung nur schwer zu begründen.
Ich erlaube mir zudem den Hinweis, dass der Besetzungsprozess vielleicht schwierig wird, denn wer so ganz genau findet es attraktiv, mit besonders unterlegenen Mitteln einer Sache nachzugehen, die bereits zu Beginn des Jobs vorbei ist? Man sollte vielleicht nach Wirtschaftshistorikern mit geringen fachlichen Ambitionen suchen.
Leider ist das alles nicht lustig, denn es drohen nicht nur temporär hohe Schäden für den Steuerzahler, die so durch Subventionen provozierten Preiserhöhungen werden nach deren Ende unvermeidlich auf die Verbraucher zulaufen. Ob und wie die dann durch ihr Verhalten wieder einen normalen Wettbewerb mit angemessenen Margen durchsetzen können, wird sich anhand der Jahresergebnisse der Energiewirtschaft zumindest indikativ ablesen lassen. Bisher ist die wenig überraschende Erkenntnis: Bei allen Energieträgern, selbst beim Gas, hat die Krise zu steigenden Margen in der Wertschöpfungskette geführt. Bei Unternehmen, deren Margen zusammengebrochen sind, ist der Staat eingesprungen. Insolvenzen sind nur bei einigen unbedeutenden Versorgern oder Händlern bekannt.
Das nennt man Krisengewinne und die muss Regulierung nicht auch noch ausweiten, das Gegenteil wäre als Ziel vielleicht gar nicht verkehrt?

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