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Die „Causa Intel“ bedarf einer tieferen Analyse – bis zur Finanzierung

Das Foto zeigt den Intel-Boss Gelsinger, der strahlend vorangeht und einen mürrischen Bundeskanzler Scholz hinter sich her zieht. Manchmal sagen Bilder mehr als Worte. Was hier passiert, ist ein politisches Milliardenversagen mehr und leider gar kein gutes Signal für unsere Fähigkeit, Zukunft angemessen zu finanzieren. Es ist ein fürchterliches Trauerspiel, das viel zu wenige in unserer Gesellschaft tiefer verstehen. Daher lohnt es, die Sache am Beispiel Intel bis zur Finanzierung dieser Subventionen zu erklären. Es geht nämlich um beides, um diese konkrete Entscheidung, aber auch um deren Finanzierung und damit die Grundsatzfrage, wie Europa so etwas betreibt – nämlich in keiner Weise zukunftsfähig. Diese „Causa Intel“ ist ein Symbol für unser Versagen, Zukunft zu gestalten und Moderne zu erreichen!
Ein Indiz dafür ist bereits, dass alle sich einig sind. Scholz feiert das als „wirtschaftspolitischen Erfolg“, Habeck nennt es „starke Investition in die Zukunft„, Sachsen-Anhalt freut sich über „Arbeitsplätze“, Spahn lobt die Investition als wichtig „für die Region und unsere technologische Souveränität“, Lindner ist zufrieden, weil die zusätzlichen Milliarden nicht aus dem Bundeshaushalt kommen. Na denn!
Tatsächlich verrät alleine der Zusatz von Habeck, der von einer „Verständigung“ mit Intel spricht, was zuletzt passiert ist: Das Unternehmen hatte in mehreren Verhandlungen die Subventionen bereits auf knapp sieben Milliarden geschraubt, trotzdem nochmals drei Milliarden mehr verlangt und offenbar mit dem Ende des ganzen Projekt gedroht. Jetzt sind es also knapp zehn Milliarden, die höchste Subvention, die Intel weltweit bisher erreichen konnte. Kein Wunder, dass Gelsinger strahlt.
Der hier freigeschaltete FAZ-Artikel beschreibt sehr gut, wie talentiert er offenbar solche Verhandlungen führt. Die technologische Bedeutung des Unternehmens und größere Erfolge der Produkte sind hingegen weniger berichtenswert. Während der Wettbewerber Nvidia zu einem der wertvollsten Unternehmen der Welt aufgestiegen ist, notiert Intel derzeit ungefähr mit der Hälfte seines ehemaligen Werts. Während in der Produktionskompetenz führende Unternehmen wie TSMC aus Taiwan sogar geopolitische Aufmerksamkeit erhalten, besorgt Gelsinger sich in Basar-Manier viele Milliarden an Subventionen für den Aufbau von Fabriken, deren Technologie wohl nicht veraltet, aber gewiss nicht mehr als ordentlicher Standard ist, um dort dann Chips zu fertigen, die ebenfalls nicht mehr als Standard sind, weshalb Intel diesen Wertverlust zu erleiden hatte – man ist von einer Spitzentechnologie in die Standardebene abgerutscht und daher austauschbar gegen alle Wettbewerber, so dass lediglich der Preis entscheidet.
Der wiederum hängt eng an den Produktionskosten und die sollen nun ausgerechnet in Magdeburg so besonders wettbewerbsfähig zu asiatischen Fabriken sein, dass da wertvolle und nachhaltige Arbeitsplätze entstehen? Arbeitsplätze, die bereits vor diesem Aufschlag mit mehr als einer Million pro Person gefördert wurden? Für eine Fabrik, die bezüglich aller Rohstoffe und teilweise hochtechnischer Vorprodukte (Wafer&Co) gänzlich an den Zulieferungen der Weltmärkte hängt? Ein technologisch lange nicht mehr relevanter Amerikaner baut in Sachsen-Anhalt eine Endfertigung von Standard-Produkten, die von Zulieferungen aus aller Welt abhängen, woraus Jens die Wärmepumpe Spahn, nun also auch Chip-Experte, schließt, das seit wichtig für unsere „technologische Souveränität“ – geht´s noch etwas größer??
Der Ärger über dieses Desaster wird vollständig, wenn man sich die Finanzierung ansieht. Habeck wird nämlich auf Mittel „außerhalb“ des Haushalts zugreifen, über die er und Lindner sowie gewiss letztlich Scholz – ein ordnungspolitischer Fehler ersten Ranges – relativ frei verfügen können: Den Klima- und Transformationsfonds. Das ist ein Schattenhaushalt mehr, eine „Technik“ in der sich alle Vorgängerregierungen aller Parteien stets einig waren. Solche Haushalte speisen sich gerne über irgendwelche Sonderabgaben bei Preisen, unser Strompreis ist so ein beliebtes Vehikel, aber nicht nur der. Sehr gerne wird das aus dem Bundeshaushalt heraus gehalten, weil man da bekanntlich – ebenfalls seitens aller Parteien – dem Michel ein seriöses Finanzgebaren nachweisen möchte. Jener Michel, der so Angst vor Schulden hat, statt sich mehr Gedanken darüber zu machen, wofür die Schulden eingesetzt werden.
Wie verheerend die Einrichtung dieses „Klima- und Transformationsfonds“ ist, dessen Gründung übrigens nicht auf die Ampel, sondern auf das Kabinett Merkel II, also „schwarz/gelb“, aus 2011 zurück geht, zeigt sich hier. Dieses „Sondervermögen“ speist sich nämlich seit 2011 aus Abgaben aus etwas, was uns preislich inzwischen immer mehr Schaden zufügt, nämlich aus den Energiemärkten. 2011 wurden gewaltige Gewinne aus Laufzeitverlängerungen von Kernkraftwerken als „Deal“ verhandelt. Es kam aber nicht viel zusammen, weil die Regierung bekanntlich eine sehr kurzfristige Kehrtwende machte. Wer die Bemühungen um die Laufzeitverlängerungen der jüngeren Vergangenheit verstehen will, sollte die kaufmännische Ratio dahinter mal aus dem Jahr 2011 recherchieren, daran hatte sich bis zuletzt nichts geändert: Ein tolles Geschäft für die Betreiber, für unseren Strompreis hingegen keinerlei Wirkung.
2011 gab es die Idee, diese Gewinne teilweise abzuschöpfen und in einen Schattenhaushalt zu überführen. Politisch wurde das so verkauft, dass die Kernkraftbetreiber das finanzieren, was natürlich ein Etikettenschwindel ist, denn die Finanzierung leisten die Stromkunden und sonst niemand. Dieses Vehikel erlitt aber nur sehr kurzfristig einen Totalschaden, es war wie alle Schattenhaushalte zu wertvoll, um es zu beerdigen. Daher ist bereits 2012 die Idee entstanden, es zukünftig durch den CO2-Handel zu speisen. Das ist bis heute so, alle Parteien unterstützen das, kein anderer als Scholz selbst ist sogar einer der letzten Hüter unter der GroKo gewesen. Verwaltet wird der Fonds vom Finanzministerium, über die Mittelverwendung entscheidet die Regierung, der Haushaltsausschuss des Bundestags muss es absegnen und die Rechnungslegung wird als Anlage zum Bundeshaushalt der allgemeinen Vergessenheit übergeben. Will heißen: Keine Partei kann irgendeiner anderen Partei hier irgendwas vorwerfen. Passiert auch nicht, da sind sie sich alle offensichtlich einig.
Die allgemeine Begeisterung über die CO2-Bepreisung konnte ich noch nie teilen. Der KTF, so das Kürzel für den Fonds, das sich jeder kritische Bürger merken sollte, wird immer größer werden. Sein Verlauf seit 2012 ist höchst volatil, weil die Sache mit den CO2-Zertifikaten selbst dauernd den jeweiligen politischen „Bedürfnissen“ unterliegt. So wurden die CO2-Preise politisch teilweise eher niedriger angesetzt, nicht wegen des Klimas, das sich entspannt zeigte, aber das liebe Geld und die Wirtschaft und so. Das führte aber leider dazu, dass Projekte, die aus dem „Fonds“ finanziert werden sollten, leider kräftig durchhingen – der Ausbau von Wärmenetzen beispielsweise. So ist das, wenn Zukunftsprojekte aus Schattenhaushalten finanziert werden, die wiederum irgendwelchen politischen Opportunitäten unterliegen. Dann kann auch Geld fehlen und da es außerhalb des einigermaßen im Diskurs befindlichen Bundeshaushalts läuft, fehlt für so etwas schlicht die Aufmerksamkeit und ohne die gibt es keine demokratische Kontrolle der Politik.
In den letzten Jahren ist der „Fonds“ nun auf einige Milliarden angewachsen. Teilweise übrigens durch die Zuweisung von Bundesmitteln, die über zusätzliche Schulden finanziert wurden. Wie beim „Sondervermögen“ der Bundeswehr. In den nächsten Jahren dürfte aber wieder der Energiekunde die Finanzierung übernehmen, denn die CO2-Preise müssen nun nach den EU-Regeln steigen, was ja sogar eine richtige Idee ist, aber mal wieder unfassbar umgesetzt wird. Erneut wird uns politisch verkauft, das diene dem Klima und werde von den CO2-Verursachern bezahlt. Warten wir es mal ab, welche CO2-Preise entstehen, welche Lenkungswirkung die haben, wer sie tatsächlich bezahlt, wie viel dabei als „Sondervermögen“ entsteht – und wofür das dann eingesetzt wird. Hier nun also für eine Chip-Fabrik, die nicht mal technologische Exzellenz hat. So viel zur „Zweckgebundenheit“ von politischen Finanzvehikeln.
So geht das nicht! Wir brauchen staatliche Mittel sogar in Billionenhöhe, sonst kann der eklatante Investitionsrückstand Europas nicht behoben werden. Staatsfonds sind dafür auch das richtige Instrument, aber eben keine Schattenhaushalte, die der politischen Willkür unterliegen, sondern sogar bis in die Verfassungen abgesicherte gänzlich unabhängige Institutionen, die von unabhängigen Profis geleitet werden und deren Jobs davon abhängen, dass sie nachweisbar Ziele erreichen, die nicht politisch mal so oder mal so ausgelegt werden. Chinesen und reiche Ölstaaten zeigen, wie effektiv und wichtig so etwas ist, der IRA der USA kann letztlich auch als so etwas gesehen werden, die Norweger zeigen hervorragend, wie das in einer Demokratie geht – das ist in Europa längst überfällig. Es geht nicht um die Höhe der Schulden, sondern um deren Verwendung. Das zweite Bild zeigt übrigens einen Auszug der Investments der Norweger. Im Chip-Bereich sind das die Taiwaner und der führende Hersteller von Spezialmaschinen zur Chipproduktion, ASML. Intel gehört nicht zu deren Investments – dort entscheiden halt Profis und keine Scholzlindnerhabecks oder gar Spähnchen.
Wir müssen wie die USA dringend mehrere Billionen in unsere Modernisierung investieren – aber nicht so verschwenden, wie das momentan passiert. Es ist verheerend, wie rückständig unsere Politik mit dem Geld umgeht und das basiert leider auf einem komplett rückständigen finanzpolitischen Verständnis in unseren Gesellschaften.

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