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Was man zu den Stromimporten seriös sagen kann – und was nicht!

Ich erhalte viele Zuschriften mit der Bitte, zu den Ex- und Importen von Strom einen Beitrag zu machen. Dazu werden bekanntlich die wildesten Thesen verbreitet, von einer „Versorgungsabhängigkeit“ zu französischen Kernkraftwerken bis zum „Verschenken“ von Überschussstrom.
Mich wundern diese vielen Beiträge von Bild, Ebert und weiteren sehr, denn: Die „Außenhandelsstatistik elektrischer Strom“ für den hier betrachteten Zeitraum liegt noch gar nicht vor! Auf welcher Basis diese Behauptungen also entstehen, kann man nur vermuten, wobei zur Vermutung zählt: Keine Basis.
Ich werde darüber erst berichten, sobald die Daten vorliegen, finde ich irgendwie besser so. Bisher gibt es nur die Strommengen, nicht die im Ex/Import gehandelten Preise und Zahlungsbilanzen. Letztere liegen nur bis Ende April vor und da war das für das deutsche Stromsystem wie immer ein prima Geschäft: Es wurde netto exportiert und die Exportpreise waren besser als die Importpreise.
Heute daher nur zur Energiebilanz, die stets zeitnah vorliegt: Chart1 zeigt die Stromproduktion bis Ende Juli 2023. Es wurden in Summe 282 TWh Strom im Inland produziert. Die in Deutschland alleine im Bereich stets verfügbarer Erzeuger installierte Leistung beträgt ca. 95GW (Chart2) bei sehr seltenen Spitzenlasten von 85GW. Insofern würde selbst ein Totalausfall der mehr als 140GW Wind- und PV-Parks, den es, manche mag es enttäuschen, auch in 2023 bisher nicht gegeben hat, die verfügbaren Kapazitäten nicht überfordern. Das würde übrigens niemand in der Energiewirtschaft anders planen, denn entgegen der öffentlichen Wahrnehmung sind da keine Ideologen unterwegs, die blind in den zwingenden Blackout laufen.
Chart3 zeigt die grenzüberschreitenden Strommengen und hier relativiert sich alles sehr schnell. Über der Nulllinie liegen die Länder, von denen netto importiert wurde und da liegt wie immer Dänemark mit knapp 7 TWh vorn – von wie gesagt 282 TWh eigener Produktion. Unter der Nulllinie liegen die Länder, an die netto exportiert wurde, hier ist Frankreich immer noch größter Abnehmer, wir haben netto ca. 3 THWh an Frankreich geliefert. Die Gesamtsumme aller Ex- und Importe liegt im Bereich von 30 TWh, es werden also grob ca. 10% der Produktionsmenge über die Grenzen gehandelt, wobei die Netto-Werte, also Exporte abzüglich Importe nicht mal im Prozentbereich liegen, es waren netto 2,4 TWh insgesamt.
Alleine diese Größenordnungen sollten deutlich machen, dass viele Aussagen zur Bedeutung von Ex- und Importen nicht richtig sein können. Oft werden Zahlen genannt, die über die grenzüberschreitenden Netze gar nicht handhabbar sind. Deutschland ist in Europa ein Energieriese, unsere Versorgung kann rein physikalisch gar nicht von außen erfolgen. Das gilt sogar ganz besonders für die oft genannten Spitzenlasten, die wir nun angeblich im Ausland beschaffen müssen und das soll ausgerechnet wegen des Wegfalls dieser kleinen roten Grundlastfläche aus Chart1 der Fall sein. Tatsächlich sieht man in Chart2, wie unser Stromsystem abgesichert ist: Durch die enorme Kapazität an Gaskraftwerken, die nahezu täglich die Spitzenlasten abdecken. Das tun diese übrigens in ganz Europa, auch in Frankreich und in ganz Europa bestimmen sie dabei via Merit-Order den Strompreis.
Genau dieser Preis ist der alleinige Auslöser für Ex- und Importe. Wenn der Preis im Ausland irgendwo billiger als die Eigenproduktion wird, kaufen Händler und Versorger dort ein, was physikalisch verfügbar und über die Netzkapazitäten möglich ist. Diese Nachfrage treibt dann natürlich an der anderen Börse den Preis wieder nach oben, weshalb es – wie an den Kapitalmärkten – eigentlich sehr schnell zu identischen Preisen an allen europäischen Börsen kommen müsste. Bei Kapitalmärkten passiert das in Sekunden durch den sogenannten Arbitragehandel. Beim Strom geht das aber nicht, weil die Mengen und die Transportkapazitäten viel zu begrenzt sind.
Daher dominieren an den Börsen die lokalen Verhältnisse: Was wird gebraucht, was kann zu welchen Preisen passend produziert werden. Das führt zu zwei typischen Situationen (Chart4): Wenn die nicht planbaren Wind- und PV-Erzeuger überschießen, wird mehr angeboten, als verbraucht wird. Die konventionellen Kraftwerke werden dadurch aus den Merit-Order Auktionen gedrängt, der Gaspreis hat keinen Einfluss. Fehlen diese Überschüsse, müssen insbesondere in der Spitzenlast die Gaskraftwerke kurzfristig hoch fahren und der Gaspreis diktiert als teuerster Erzeuger den Strompreis. Früher war das mal der Kohlepreis, mal der Gaspreis. Je nachdem, wie sich das parallel in anderen Stromsystemen entwickelt, kommen dort bessere Preise zustande und der – sehr begrenzte! – Stromhandel über die Grenzen setzt ein, der aber nicht mehr als ein Marginalhandel sein kann. Das Thema wird also vor allem eines: Weitgehend überhöht!
Auch zu diesen temporären Preisrückgängen wird merkwürdiges berichtet, von „Zwangsverschenken“ ist zu lesen. Das passiert wie gesagt ohnehin in ganz Europa und es ist momentan der einzige positive Effekt, den wir auf den Preis haben. Warum das jetzt angeblich auch ganz fürchterlich sein soll, muss man nicht verstehen – es sei denn, man betrachtet das aus Sicht der Produzenten, die mögen solche Preise natürlich nicht. Auch zu den negativen Preisen wird einiges geschrieben, da bezahlen wir angeblich „Ausländer“, damit sie unseren Strom abnehmen. Wie Chart4 zu entnehmen ist, passiert das sehr selten und auch das übrigens in ganz Europa. Das erklärt sich folgendermaßen: Da viele Betreiber von konventionellen Kraftwerken diese aus ökonomischen Gründen nicht runter fahren wollen – oder schnell genug können – bezahlen sie für die Abnahme des Stroms, damit die Kraftwerke im Betrieb bleiben. Der Preis wird also negativ. Eine tatsächlich sehr ärgerliche deutsche Besonderheit ist dabei das EEG: Aufgrund der Einspeisegarantie für Erneuerbare kann es für Wind- und PV-Betreiber sinnvoll sein, die Anlagen nicht abzuregeln – was bei Erneuerbaren leicht möglich ist. Dadurch geht aber ggf. die Einspeisevergütung verloren, so dass man diese lieber kassiert und für die Abnahme des Stroms etwas bezahlt. Dieser Preiseffekt nach unten ist aber sehr begrenzt, die teilweise dreistellig negativen Werte sind damit nicht erklärbar – da hatten offensichtlich zu viele bei ihren Kraftwerkparks falsch geplant. Aber auch das ist wie gesagt ein Nebeneffekt.
Wenn man das Preisgeschehen sowie die grenzüberschreitenden Mengen in Europa mal betrachtet, so haben wir in Mittel- und Nordeuropa auch wegen der Netzkapazitäten eine gemeinsame Zone, die sehr stark durch zwei Effekte geprägt wird: Sobald im Norden sehr viel Windstrom produziert wird, drückt dieser von Skandinavien über Dänemark und Deutschland bis Frankreich sehr stark die Preise. Der Ausbau dieser Kapazitäten in den letzten Jahren ist ein häufig dominierender Effekt geworden, weshalb übrigens Dänemark und nicht Frankreich unser größter Handelspartner beim Strom geworden ist. Der zweite Effekt besteht seit Jahrzehnten: In der wärmeren Jahreszeit erzeugen die französischen Kernkraftwerke, die technisch und ökonomisch nur begrenzt regelbar sind, typischerweise Überschüsse. Frankreich war schon immer in dieser Zeit Exporteur von Strom, jedoch stets in Regionen mit guten Preisen. Das ist 2023 vor allem UK – und nicht Deutschland (Chart5). Übrigens sind die gerne angestellten Vergleiche zu 2022 nichts anderes als eine bewusste statistische Fälschung, denn ausnahmsweise war Frankreich in 2022 wegen der AKW-Ausfälle im ganzen Jahr Netto-Importeur, vor allem aus Deutschland. Der Vergleich zu den Vorjahren zeigt bisher: Alles wieder wie früher, wobei die Rolle des Windstroms im Norden von Jahr zu Jahr dominierender wird. Der AKW-Strom aus Frankreich hat auf den Exportmärkten geringeres Gewicht und genau das wird sich fortsetzen.
Das sind wie gesagt nur die Energiebilanzen. Wer dabei ein gutes oder schlechtes Geschäft macht, welche ökonomische Bedeutung dieser Marginalhandel überhaupt hat, das alles ist noch gar nicht bekannt. Wer das jetzt schon bewertet, erfindet seine Aussagen ohne jede Datenbasis.
Fortsetzung folgt.

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