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Wir führen einen Streit zwischen Kernenergie und Erneuerbaren, der nur fossilen Interessen nutzt

Einmal gegen Vince Ebert sticheln und ein paar Besuche in ideologisch hoffnungslos verstrahlten Kernenergieforen genügen, um auf allen Kanälen die typischen sinnfreien Trollkommentare zu erzeugen. Forensische Daten zu CO2-Emissionen von Stromsystemen, überwiegend von Profilen, deren sonstiger Inhalt genau keinerlei Interesse an CO2 erkennen lässt, Energiekomiker, die von Thorium-Reaktoren oder SMRs berichten, die angeblich überall auf der Welt in Betrieb gehen, nur nicht in Deutschland. Intellektueller Höhepunkt war ein Experte, der referierte, Kernkraftwerke bräuchten gar keinen Netzausbau, weil sie so gleichmäßige Grundlast produzieren, alleine deshalb kostete der Ausbau Erneuerbarer viele Billionen.

Das Ergebnis dieser sinnfreien „Dialoge“ ist stets identisch. Stupides Grünen-Bashing, EE-Bashing und für diese Kreise inzwischen besonders beliebtes Deutschland-Bashing – weil man sich um den Standort sorgt, versteht sich. Hält man dagegen, endet das stets in wüsten Beleidigungen und Diffamierungen. Dabei bin ich weder ein Grüner, noch habe ich etwas gegen Kernenergie, aber gegen diese merkwürdig aufgeheizte Anti-Grüne Stimmung habe ich sehr viel einzuwenden!

Wenn man den Personen, die so etwas extrem aggressiv und teilweise mit dem Ausdruck von Hass vertreten, etwas tiefer folgt oder sich den Schmerz erlaubt, mit ihnen zu „diskutieren“, so kommt ohnehin sofort die These, ein „Industrieland“ sei ohne Kernenergie nicht zu versorgen, aber letztlich doch die entscheidende, ohne fossile Energie gehe es auch nicht. Ich vermute inzwischen, dass die Fundamente dieser Ideologie aus letzteren Interessen stammen. Die einzelnen Verirrten werden das vielleicht gar nicht mehr erkennen, aber es sind wohl die Früchte der vielschichten fossilen Stimmungsmache, die wir da sehen und die nur ein Ziel haben: Jede Art von „Energiewende“, was auch immer das ist, verhindern.

Zur Kernenergie habe ich hier oft genug meine persönliche Meinung klargestellt, die übrigens in Fachkreisen nach meinem Eindruck mehrheitsfähig ist, dass die vorzeitige Abschaltung unserer Anlagen in Deutschland ein Fehler war, weil das den Kohleausstieg bis heute verzögert hat. Was aber alles von Ebert et al. dazu an dummdreisten Erzählungen, ebenfalls bis heute und bis in die Politik oder auch über Energietechnik schlecht informierte Journalisten sowie Ökonomen behauptet wird, ist geradezu verstörend. Der ganze Unfug von Blackout-Gefahren bis zu den Strompreisen oder jüngst den ach so „notwendigen“ Importen ist frei erfunden und ohne jede Grundlage.

Man wirft der Ex-Kanzlerin Merkel gerne einiges vor, schlechte Information gehört selten dazu, sie war unstrittig stets bestens informiert, vermutlich auch deshalb, weil sie darauf Wert legte und sich darum kümmerte, es zu sein. Jeder kann nachlesen, was sie vorhatte, als es nämlich vor dem Ausstieg um das Gegenteil, also die Laufzeitverlängerung ging: Da das wegen unseres Markt-Designs nämlich zunächst mal nur die Bilanz der Betreiber füttert und KEINEN Einfluss auf den Preis hat, sollten die AKW-Betreiber für den Weiterbetrieb in einen Fonds für „Klimaprojekte“ einzahlen – die Geburtsstunde des KTF, ein Vehikel, das alle Nachfolgeregierungen hübsch gepflegt haben, ebenfalls bis heute und ganz sicher auch bis übermorgen.

Tatsächlich war später dann die Entscheidung, den Kernkraftausstieg dem Kohleausstieg vorzuziehen, sogar für den Strompreis von Vorteil, denn Kohle ist unter den fossilen Kraftwerken, die wir bis heute nicht ersetzen können – nein, auch in Frankreich nicht – eine der billigeren Erzeugungsformen. Außerdem war das eine von regionaler Politik vieler Farben willkommene Sache, denn den Ausstieg aus der Kohle würde zwar jeder vorziehen, der an CO2 denkt, aber in den Kohleregionen insbesondere Ostdeutschlands spielt das die geringere Rolle, bis heute. Nichts ist so verquer, voller Desinformationen und dreister Lügen, wie die Kernkraftdebatte in Deutschland. Die lässt sich seit Jahrzehnten mühelos nutzen, um politische Agenda oder ganz andere Interessen zu verfolgen. Nur mit Klima, CO2, den Strompreisen oder der Energieversorgung unseres Standorts – damit hat das alles nichts zu tun. Keine – ich wiederhole: keine! – Partei ist da ohne Widersprüche aufgestellt.

Offensichtlich geht es weltweit etwas nüchterner zu. Das erste Chart zeigt, dass die Energieerzeugung aus Kernenergie weltweit seit 20 Jahren leicht rückläufig ist. Da wird gar nichts ausgebaut. Es gibt nur ein relevantes Land, in dem ein Ausbau – übrigens von 0% auf 2% Erzeugungsanteil an der Gesamtenergie – erkennbar ist, das ist China. Richtig ist, dass weltweit an Kernenergie geforscht wird. So gibt es Prototypen (!) für vielleicht zukünftige (!!) Thoriumreaktoren vor allem in den USA, mit ganz viel Lärm bei uns verbreitet jetzt einen in China (mit der Leistung von einem kleineren PV-Feld), es gibt Pläne, SMRs zu bauen, es gibt hunderte Detailforschungen Rund um diese Energieerzeugung, viele davon mit dem Ziel, die vermutlich mehr als Hundert Probleme der Kernfusion zu lösen. Der überwiegende Teil dieser Forschung ist insbesondere im Westen längst nicht mehr national, sondern in Form von Gemeinschaftsprojekten mehrerer Nationen aufgestellt – unter Beteiligung Deutschlands.

Wer über Kernenergie spricht oder schreibt, zwischen Produktion und Forschung aber nicht unterscheidet, hat entweder keine Ahnung oder er betreibt Desinformation bis zur Lüge. Der Grund ist wohl, dass es einen Kernenergieausstieg Deutschlands im Forschungsbereich nicht gibt. Nun monieren Kernphysiker wie alle Forschungsrichtungen fehlende Etats, Bürokratie und mangelnde politische Unterstützung. Vermutlich haben die Kernphysiker dabei wie alle Forschungsrichtungen wohl schlicht recht. Die momentan dafür zuständige Adresse ist das technologieoffene und kernfusionsaffine, FDP-geführte Forschungsministerium. Eine Debatte über Forschung ist sicher stets wünschenswert, aber dem Thema entsprechend bevorzugt sachgerecht und korrekt adressiert.

Was die weitere Entwicklung von Kernenergie betrifft, so wird in der Wissenschaft diese verfehlte öffentliche Debatte, ob es ohne gar nicht möglich sei, nicht geführt, sondern schlicht abgewogen, wo die Vor- und Nachteile liegen, Kernenergie als Pendant zu Erneuerbaren zu nutzen. Wie Chart 2 zeigt, läuft es in der Realität seit einigen Jahren vollkommen klar in eine Richtung: Die Erneuerbaren werden zügig ausgebaut, hier sehen wir sogar eine Beschleunigung von Zubauraten, während Kernenergie rückläufig ist. Die erzeugte Energiemenge der Erneuerbaren ist längst wesentlich bedeutender. Weltweit sehen wir aus Erneuerbaren knapp die fünffache Energiemenge wie aus Kernenergie, in China ist es übrigens Faktor sieben – Tendenz steigend, denn auch dort werden Erneuerbare wesentlich schneller zugebaut als die Kernenergie.

Das hat auch in der Wissenschaft zu einem Wechsel der Sicht geführt. Während viele die so gerne diskutierte „Grundlast“ von Kernenergie als sinnvolle Ergänzung zu Erneuerbaren gesehen haben, wächst nun die Erkenntnis, dass sich diese Erzeugungsform gerade wegen des unflexiblen Grundlastcharakters nicht gut als Reserveleistung eignet. Neuere Studien empfehlen daher zunehmend, flexible Komponenten wie Pufferspeicher sowie mit synthetischen Gasen betriebene Gaskraftwerke anzustreben – und es ist bereits erkennbar, dass Forschung und Ausbau dieser Technologien sich ganz erheblich beschleunigt. Auch das wird über die Zukunft der Kernenergie entscheiden, denn je effektiver Erneuerbare sich speichern lassen, desto verzichtbarer wird komplexe Reserve. Der technische und ökonomische Wettbewerber der Kernenergie sind die Pufferspeicher und die Synthetisierung von Kraftstoffen.

Der Grund für diese rückläufige Tendenz von Kernenergie ist daher wohl weniger technisch, sondern primär ökonomisch begründet. Insofern ist es doch sehr erstaunlich, dass in Deutschland gerade unter den Ökonomen so oft die These zu finden ist, man brauche diese Erzeugung aus Gründen des Standorts. Das würde ich selbst bezüglich einer Laufzeitverlängerung – aber bitte nach Merkels Konzept – sogar auch so sehen, aber ein Ausbau mit der heute verfügbaren, hoffnungslos veralteten Technologie, ist ökonomisch vollkommen uninteressant. Man darf darüber streiten, ob der Begriff „Hochrisikotechnologie“ angemessen ist, dabei aber übrigens gegenseitig (!) vielleicht mal akzeptieren, dass man es so oder so sehen kann, ökonomisch aber halte ich den Begriff für vollständig korrekt!

Daher ist ohne massive staatliche Unterstützung, von Subventionen bis zu Rechts- und Haftungsgarantien weltweit kein einziger Betreiber bekannt, der rein privatwirtschaftlich auch nur ein minimales Interesse zeigen würde, so ein Projekt auf komplett eigene Verantwortung anzugehen. Der Grund für den Rückgang ist daher vermutlich auch, dass die Staaten ihren Appetit auf Kernenergie zügeln, was übrigens, wenn man die Regierungsbeschlüsse nur mal genauer liest, auch auf Frankreich zutrifft. Nun werden insbesondere Atommächte niemals aus der Kernenergie komplett aussteigen, die paar Prozent dürften immer bleiben. Wenn aus den vielen Forschungsprojekten mal etwas resultiert, das ökonomisch und verfahrenstechnisch den ja sogar genau so selbst geforderten Generationensprung in industriell verfügbare und betreibbare Technologie übersetzt, kann sich das ändern – und das sollte aus meiner Sicht jede Gesellschaft und jede Nation anstreben. Es gibt keinen Grund, aus der Forschung auszusteigen und das sollte vor allem eine Industrienation nicht tun. Macht auch keine, weltweit, ob Atommacht oder nicht.

Bezeichnend ist, dass hier schon wieder fast drei DIN-A4-Seiten drauf gegangen sind, um sich mit diesem Detail zu beschäftigen, das aber leider die öffentliche Debatte so sehr belastet. Genau das aber ist im Interesse einer ganz anderen Industrie, nämlich der vielen gigantischen fossilen Geschäftsmodelle. Chart 3 zeigt, dass der Verbrauch fossiler Energie immer noch knapp um Faktor fünf höher ist, als der von Erneuerbaren und Kernenergie zusammen. Der eigentliche Riese im Energiemix spielt in der Diskussion aber kaum eine Rolle. Das darf man schon merkwürdig finden. Immerhin deutet das Chart und mehr noch das nächste Chart 4 mit den Wachstumsraten der fossilen Energie an, dass hier vielleicht sogar, wie viele Studien jüngst erwarten, endlich ein Kipppunkt erreicht ist und dieser Konsum nun langsam mal in die richtige Richtung, nach unten, wechselt.

Während sich Kernkraftenthusiasten und Befürworter Erneuerbarer verbale Schlachten liefern, nicht selten hinterlegt mit ökonomischen Überlegungen über Preise und Kosten, verbrennen wir von den fossilen Energien Tag für Tag weiter Milliarden, die leider eben nicht weg sind, sondern einfach nur woanders und deren Rückstände in unserer Lebensgrundlage landen. Diese vielen Milliarden und über den Planeten sowie die Zeit gerechnet vielen Billionen für den Bezug dieser Stoffe sind dabei sogar nur ein Teil der Rechnung. Der IMF hat, Chart 5, jüngst berechnet, dass alleine die Subventionen für fossile Energien im Jahr 2022 die unfassbare Zahl von sieben Billionen verschlungen hat. Das sind Mittel, die nicht mal auf unseren Tankrechnungen auftauchen, die unseren Ökonomien aber entzogen werden. Aber bei Erneuerbaren oder der Energiewende, sei es mit oder ohne Kernenergie, streiten wir über die Kosten?! Alleine der Kostenbegriff ist bereits missbräuchlich. Der IMF hat alleine zu den Subventionen einen klaren Satz gleich als Einleitung formuliert: „Der Abbau von Subventionen würde die Luftverschmutzung verringern, Erträge generieren und einen wichtigen Beitrag zur Verlangsamung des Klimawandels leisten“. Da steht nichts von „Kosten“, sondern von „Erträgen“.

Das ist auch bei dem eingangs erwähnten Thema der Stromnetze so. Dazu hat die IEA, die übrigens unter „clean energy“ auch Kernenergie fasst und sich aus der hier zitierten polarisierten Debatte hübsch raushält, in einem aktuellen Report zum – real nicht existierenden – Ausbau der Stromnetze insbesondere in den Industrienationen sehr klar formuliert: „Der Bericht bietet eine globale Bestandsaufnahme der weltweiten Stromnetze. Er erkennt Anzeichen, dass sie mit der globalen Energiewirtschaft nicht Schritt halten und das Risiko, dass sie zu einem Engpass für die Bemühungen für eine Energiewende und die Gewährleistung der Versorgungssicherheit werden.“

Aus diesem Bericht stammt Chart 6, das zeigt, wie gering der Netzausbau in den Industrienationen bereits seit mehr als 50 Jahren ausfällt. Der Zubau erfolgte fast nur in Schwellenländern und das ist auch in der jüngeren Vergangenheit so, wo es nicht mehr durch deren Aufholeffekte alleine zu erklären wäre. Im Detail sieht man das in Chart 7, welches das deutlich höhere Tempo der Schwellenländer verdeutlicht und zwar insbesondere in dem bei uns so gerne diskutierten Sektor: Der Industrie. Auch die relativen Daten sind deutlich, denn während die Elektrifizierungsrate in den Industrienationen fast stagniert, sind die Schwellenländer bald vorbei gezogen. Das übrigens ganz nebenbei zur These, diese Länder würden ja erst ihre fossile Wirtschaft aufbauen, bräuchten dafür unbedingt unsere Verbrennertechnologien oder wir müssten denen gar das Öl streitig machen, indem wir ganz viel davon konsumieren.

Es ist ein Irrtum, anzunehmen, die unglaublich zähe und durch Widerstände geprägten Transformationsprozesse würden global überall so nachvollzogen. Bei dem diesbezüglich für die Europäer ebenfalls dunklen Kapitel der Digitalisierung kommt der Report ebenfalls zu sehr deutlichen Erkenntnissen, denn diese Innovationen sind ein wesentlicher Erfolgsfaktor für ein modernes, effizientes und hochgradig elektrifiziertes Energiesystem. Dafür werden weltweilt vollkommen vernachlässigbare 60 Milliarden (Chart 8) aufgewendet, obwohl hier die Rendite ganz besonders hoch ist.

Noch vernachlässigbarer ist diese Investition in eine wichtige Innovation übrigens in Deutschland, hat etwas mit unserer gesellschaftlichen Affinität zu diesen beiden Begriffen zu tun.

Das alles nutzt nur der fossilen Wirtschaft und einer der einfachsten Punkte, deren Ablösung zu torpedieren, ist die Verhinderung des Netzausbaus. Komisch insofern, dass darüber kaum jemand spricht und wenn doch, wird behauptet, der sei nur wegen Erneuerbarer notwendig und viel zu teuer.

Hier ist der IMF-Bericht zu finden: https://www.imf.org/en/Blogs/Articles/2023/08/24/fossil-fuel-subsidies-surged-to-record-7-trillion

Hier das Paper dazu: https://www.imf.org/en/Publications/WP/Issues/2023/08/22/IMF-Fossil-Fuel-Subsidies-Data-2023-Update-537281

Hier der IEA-Bericht: https://www.iea.org/reports/electricity-grids-and-secure-energy-transitions

Sowie das Paper dazu: https://iea.blob.core.windows.net/assets/70f2de45-6d84-4e07-bfd0-93833e205c81/ElectricityGridsandSecureEnergyTransitions.pdf

 

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