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Energiesparmaßnahmen erzeugen keine „volkswirtschaftlichen Schäden“

Die Kommentarspalten sind bezüglich des „entkernten“ Gebäudeenergiegesetzes immer noch voller Vorwürfe über einen damit angerichteten „volkswirtschaftlichen Schaden“. Da es seitens der EU nun weiter geht und demnächst die Gebäudedämmung kommen muss, wird sich das fortsetzen und vermutlich noch ganz andere „Hämmer“ ergeben.

Wer das mit dem „volkswirtschaftlichen Schaden“ in die Welt gesetzt hat, ist kaum noch nachvollziehbar. Der Käse dürfte mehrere Schöpfer haben. Vermutlich viele Betriebswirte, die „dürfen“ das gerne so rechnen, wobei auch die ein paar Semester VWL hören und wenn sie von VWL sprechen, sollte auch davon etwas enthalten sein. Aber man liest leider sogar bei Volkswirten etwas vom „Schaden“. Welche Vorlesungen denen gelesen wurden, wüsste ich gerne. Meine waren es hoffentlich nicht!

Wo soll der Schaden denn sein?

Zunächst führt die Investition eines Hausbesitzers in eine Heizung oder die Wärmedämmung zur Erzeugung von BIP aus dessen Kapital. Das kann vorhandenes oder zukünftiges Eigenkapital sein, je nach Finanzierung. Spielt keine Rolle. Das ist also ein volkswirtschaftlicher Nutzen, das ist der volkswirtschaftlich sinnvollste Einsatz von Kapital, nicht dessen Allokation in unproduktiven Assets. Wenn wenigstens „gespart“ wird, was ja – für manche eine böse Nachricht – ohnehin nur geht, wenn woanders Schulden aufgenommen werden, hat dieses Kapital indirekt meist auf der Seite des Schuldners eine produktive Nutzung zur Folge. Aber die Allokation in toten Betonwerten ist ausgerechnet eine der volkswirtschaftlich besonders unnützen.

Ein volkswirtschaftlicher Schaden kann jedoch entstehen, wenn der Nutzwert von Assets beeinträchtigt wird, wenn deren Nutzen zukünftig also geringer ausfällt. Ist aber der Nutzwert von Immobilien, sei es zur Selbstnutzung oder Vermietung geringer, weil eine modernere Heizung oder eine bessere Dämmung vorliegen? Wohl kaum!

Offensichtlich führt die Maßnahme dazu, dass zukünftig weniger Energie für das Haus nachgefragt wird. Handelt es sich dabei um fossile Energie, sinkt deren Importbedarf. Handelt es sich bei der Maßnahme um eine Transformation auf elektrische Energie, sinkt der Importbedarf ganz erheblich und die Nachfrage wird zukünftig einer inländischen Produktion gelten. Sehr hoher volkswirtschaftlicher Nutzen!

Kommen wir zum Zeitwert der Assets. Da es sich hier also zweifellos um den Wert steigernde Investitionen handelt, die durch zukünftige Kostenersparnis, welche auf Ebene der Volkswirtschaft Importbedarf reduziert und/oder inländische Produktion erhöht, ist das volkswirtschaftlich als Goldstandard für kluge Investitionen zu bewerten. Dafür „darf“ man ganz nebenbei bemerkt auch ohne „Grenzwert“ so was böses wie Schulden machen. Als Hausbesitzer, als Volkswirtschaft, als Staat.

Was immer in einer Demokratie zu beachten ist – und hier nähern wir uns der Betriebswirtschaft – ist die individuelle Rechnung. Volkswirtschaft bewertet vereinfacht formuliert das große Ganze. Service-Hinweis: Alleine deshalb sind 95% aller Kommentare von Hobby-Ökonomen zu irgendwas mit VWL, die aber nur die eigenen Interessen berücksichtigen, vom Ansatz her, räusper, zum Scheitern verurteilt.

Während „im großen Ganzen“ volkswirtschaftlich sogar Nutzen entstehen, wie definitiv hier, muss die Verteilung von Nutzen und Lasten beim einzelnen nicht zwingend positiv ausfallen. Es ist übrigens weder Anspruch der VWL, noch eines demokratischen Staats, aus einer Ökonomie eine Party für alle zu machen, die bei jeder Maßnahme nur Gewinner zählt. Im Gegenteil ist insbesondere die Aufgabe von Staaten die Umverteilung, was im Einzelfall immer bedeuten kann, dass eine konkrete Maßnahme bei bestimmten Gruppen Einkommens- oder Vermögensverluste bedeuten.

Aber wo ist dieser Schaden?

Oft wird behauptet, solche Maßnahmen würden sich „nicht rechnen“. Das mag BWL sein. Wenn die zukünftigen Einsparungen die Anfangsinvestitionen nicht refinanzieren, hätten wir tatsächlich (VWL) eine Umverteilung zulasten der Hausbesitzer und kurzfristig zugunsten der Heizungsbauer/Haussanierer sowie langfristig der inländischen Kaufkraft (weniger fossile Importe) und der Energiewirtschaft (inländische Produktion). Aber (BWL) der Hausbesitzer hätte einen „Schaden“.

Das mag sogar so sein, aber (BWL!) dieser „Schaden“ ist dann schon länger vorhanden bzw. hat sich aufgebaut. Wenn nämlich ein Asset aufgrund technischen Rückstands gegenüber Vergleichsassets zwingend höhere Unterhaltskosten hat, liegt ein Investitionsrückstand vor. Die BWL ist sogar noch härter: Übersteigt der Investitionsrückstand den Zeitwert des Assets, ist es ein wirtschaftlicher Totalschaden. Kann passieren, deshalb gibt es in der BWL so etwas wie Abschreibungen. Machen Hausbesitzer oft nicht, was die freie Entscheidung des einzelnen ist, aber deshalb muss man jetzt nicht kollektiv meckern, weil man bei nachlässiger Buchführung erwischt wurde.

Nun reden also alle von Schäden und behaupten ganz viel über dessen Höhe. Ob ein Schaden überhaupt vorliegt, wie hoch er im Einzelfall tatsächlich ist, ob er durch rechtzeitige Investitionen statt des Investitionsrückstaus vermeidbar gewesen wäre, ist im Einzelfall nur sehr schwierig zu bewerten. Aber genau das passiert jetzt, denn der Immobilienmarkt beginnt gerade, neben den Zinskosten auch diese Rückstände zu bewerten. Das tut natürlich teilweise weh, es ist auch zu bezweifeln, dass der Markt dabei so schnell zutreffende Bewertungen findet, aber es ist nichts anderes als die Aufdeckung einer Vermögensentwicklung aus der Vergangenheit.

Wenn nun reklamiert wird, man wolle gerade ein Haus verkaufen, so sind wir wieder bei der VWL, denn bisher – das ist richtig – hat der Markt diese Rückstände nicht bewertet, so dass der Schaden bei den Käufern lag. Nun ist die Bewertungssymmetrie eine andere, die Käufer haben das Thema erkannt und erwarten vom Verkäufer, dass der den Schaden trägt – den er zudem nicht selten selbst verursacht hat.

Tatsächlich sind nur zwei Argumente in der Sache gerechtfertigt und die haben mit VWL ein wenig, primär mit BWL zu tun. Der Staat sollte keine Auflagen machen, die unverhältnismäßig hohen Aufwand erzeugen. Das ist auf VWL-Ebene eine Frage der Effizienz von eingesetzten Ressourcen und bei der BWL betrifft es die Immobilien, die in der öffentlichen Debatte kaum vorkommen, nämlich die neu zu bauenden, während gerade beim Altbestand die möglichen Maßnahmen so großes Sparpotenzial haben, dass die sich tatsächlich sehr wohl „rechnen“, man aber oft nicht weiß, wem das zugute kommt: Dem Besitzer, seinen Erben, den Käufern. An der Stelle kann der Staat sich m.E. nicht involvieren, das müssen die miteinander verhandeln.

Was neben der Effizienzfrage immer staatliche Aufgabe ist und das hat primär weder mit VWL, noch mit BWL zu tun: Die Vermeidung von Härtefällen sowie deren Abfederung, wenn sie sich nicht vermeiden lassen. Das sind hier also insbesondere solche Haushalte, die keinen Zugang zu Investitionsmitteln haben und daher zukünftige Energiekosten sogar zahlen müssen, weil sie die Energiesparmaßnahmen gar nicht stemmen können. Das ist eine Abwärtsspirale finanzschwacher Haushalte, die von ihren Kosten niemals runter kommen, weil schlicht die Kapitalkraft nicht da ist und das, obwohl sich die Investition „rechnen“ würde, sogar oft schon lange gerechnet hätte. Bei Immobilien kommt erschwerend hinzu, dass neben den Eigennutzern zwischen Vermieter und Mieter zu unterscheiden ist. Ersterer trägt die Investitionen, letzterer nutzt die Kostenersparnis, die Finanzierung muss die Miete leisten. Das kann alles zu Folge haben, von Vermietern, die ihre Immobilien bewusst oder unkontrolliert runter wirtschaften – da gibt es alles, nur keinen Kapitalmangel – bis zu solchen, die von finanzschwachen Haushalten nur eine sehr geringe Miete verlangen und daher keine Investitionen leisten können. Hier haben wir Kapitalmangel und die beschriebene Abwärtsspirale für diese Immobilien, die aber, das sei erwähnt, meist auch bereits sehr lange läuft und sogar zwingend im Totalschaden enden muss.

Bei solchen Fällen und finanzschwachen Eigennutzern ist also staatliche Hilfe dringend notwendig, übrigens auch volkswirtschaftlich sinnvoll, denn Finanzschwache aus Kapitalmangel immer finanzschwacher zu machen, führt zu Kaufkraftverlusten und steigenden Sozialkosten. Da sind wir wieder bei der Frage, wo Förderung sinnvollerweise eingesetzt werden sollte. Immer wieder kann man nur zum Ergebnis kommen, dass diese den finanzschwachen Haushalten und nur diesen zukommen sollte und immer wieder erleben wir tatsächlich, dass bei politisch einmal als notwendig eingeräumten Fördermaßen Gießkannen resultieren, weil jeder meint, davon auch profitieren zu müssen.

Das ist übrigens volkswirtschaftlich ineffizient.

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