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CoroNews 13.02.2021 – mit viel Stoff zum Nachdenken!

Seitdem ich im März 2020 regelmäßig über die Covid-19 Pandemie unter dem Titel „CoroNews“ berichte, habe ich auf meinen Facebook-Profil, leider bis heute der einzige Kanal für Diskussionen, hunderte Beschimpfungen über angebliche „Panikmache“ erhalten. Größere Irrtümer sind mir hingegen nicht nachgewiesen worden – wobei die insbesondere hinsichtlich der Einschätzung unserer gesellschaftlich/politischen Lernfähigkeit leider erheblich waren.

Angesichts der jetzt laufenden Debatte Mitte Februar 2021 muss ich erstmals bekennen: Das macht mir Angst und vielleicht wäre es jetzt an der Zeit, etwas Panikmache zu betreiben! Ich möchte nämlich mit dem Virus leben und zwar nicht in einer dystopischen Agonie von Angst vor der Wirklichkeit, die sich von nachvollziehbarer Verdrängung, über opportunistische Ignoranz bis zur gesellschaftlich/politischen Handlungsunfähigkeit bewegt. Ich möchte in der Tat mit dem Virus leben und mich nicht von ihm bestimmen lassen. Das geht nur, wenn wir endlich die Situation akzeptieren, wie sie ist und erst damit die Basis schaffen, sie zu verändern. Wir eskalieren diese Krise zeitlich, räumlich und gesundheitlich/materiell in immer weitere Dimensionen, wenn wir es fortsetzen, unsere Illusionen mit der Wirklichkeit zu verwechseln. Man findet nicht mit dem Bau von Luftschlössern aus der Krise heraus, Wirklichkeit bleibt Wirklichkeit und sie wird sich weiter so durchsetzen, wie sie ist.

Wir sehen nach dem Teilversagen im letzten Sommer und dem Totalversagen im Herbst nun die Teilentspannung der mühsam und zäh seit Mitte Dezember endlich ergriffenen Maßnahmen. Tatsächlich waren meine Berichte sehr präzise: Der vollkommen überflüssige Versuch eines „Lockdown light“, dessen Kosten/Ertrags-Relation vermutlich zu den schlechtesten aller Reaktionen weltweit zählen dürfte, hat eine fünfstellige Opferzahl gekostet. Erst der jetzt bereits wieder in Lockerungsdiskussionen in Frage gestellte Lockdown ab Mitte Dezember hat die zweite Welle gebrochen. Deren Peak dürfte bei den Infektionen ungefähr an Weihnachten gelegen haben, ich habe das Heiligabend genau so vermutet. Ungefähr einen Monat später haben wir den Peak der Sterbefälle gesehen. Auch das entspricht meiner Prognose. Die beiden folgenden Charts in der stärkeren Glättung von zwei Wochen zeigen das recht gut. Die vielen Datenfehler durch die zusammengebrochene Testinfrastruktur sowie die Verzögerungen der Sterbezahlen sind hier kaum noch sichtbar. Tatsächlich dürfen wir uns beide Kurven als relativ glatten Verlauf auf die Peaks am 24. Dezember bzw. den 20. Januar vorstellen.

 

 

 

Die in der Spitze bei dieser Glättung erkennbaren ca. 12.000 Opfer in zwei Wochen entsprechen sogar ungefähr dem Tageswert von 800 als Peak, den ich ebenfalls bereits im Dezember geschätzt hatte. Auch die Zeitläufe waren richtig geschätzt: Infektionspeak, Sterbefallpeak sowie das Einsetzen des Halbierungstrends von ca. 20 Tagen, der sich unter dem Lockdown dann stabilisiert, sogar die 20 Tage als „Abwärtsgeschwindigkeit“ hatte ich vermutet.

Toll nicht wahr, wie sich da jemand selbst auf die Schulter klopft, zum Fremdschämen – oder? Nein! Ich bin erstmals wirklich wütend über die Dummheit unserer öffentlichen Debatte, denn wie ich oft kommentiert hatte: Das ist alles andere als schwierig einzuordnen, es handelt sich um eine vergleichsweise simple Datenanalyse! Das Märchen vom „nicht-Wissen“, von den mangelhaften wissenschaftlichen Erkenntnissen, von den vielen großen Erkenntnislücken, vor denen wir stehen – es ist ein Märchen, ein Narrativ, Ausdruck von Angst, von Verdrängung, von Egoismus, Opportunismus, Inkonsequenz, Agenda. Es ist nicht mutig, wegzuschauen. Es ist nicht mutig, wieder und wieder Alternativen gehen zu wollen, die erkennbar nicht da sind und alle nacheinander scheitern.

Die Metrik dieser Pandemie ist simpel und ihre Gleichung lautet: Ihr müsst jahrelanges Massensterben und Dauerleiden zulassen oder ihr müsst das Virus mit allen Mitteln aus euren Gesellschaften heraushalten, bis ihr es medizinisch im Griff habt. Dazwischen gibt es nichts, rein gar nichts, das ist nicht verhandelbar!

Wer ohne den Hinweis auf das Massensterben als Wissenschaftler oder Politiker vom Weg dazwischen spricht, von der Abwägung, von der Angemessenheit der Maßnahmen, vom „Schutz vulnerabler Gruppen“ und vielem mehr, der ist entweder untauglich oder nicht mutig genug, neben den Annehmlichkeiten seiner Luftschlösser auch deren Preis zu nennen. Es macht wirklich wütend, die gegenstandlose Wiederholung so mancher Vorträge von opportunistischen Ministerpräsidenten, Oppositionspolitikern, Bildungspolitikern, Lobbyisten der betroffenen Branchen oder intellektuell heillos überforderten Intellektuellen zu hören.

Die Analyse der oben dargestellten Daten zeigt, dass wir in der ersten und der zweiten Welle jeweils mit Verdopplungszyklen von in der Spitze alle zwei Tage mit der Ursprungsvariante von Sars-Cov-2 Infektionen aufgebaut haben und dass wir mittels Lockdowns in der Spitze Halbierungszyklen alle zehn Tage sehen. Wir sehen also mit Sars-Cov-2 den Anstieg mit bis zu fünffacher Geschwindigkeit gegenüber dem Abstieg, weshalb es stets so war und überall auf der Welt so geblieben ist, dass jede Verzögerung bei Gegenmaßnahmen ein Vielfaches an Zeit kostet, das Versäumte wieder einzuholen. Mit dieser bisher bei uns maximal feststellbaren Bremskraft laufen wir jetzt gerade mal auf den Peak der ersten Welle zu – von oben! Angesichts dieser – simplen – Analyse gibt es ernsthaft Lockerungsdebatten für den Fall einer Inzidenz von 50, deren nicht-Beherrschbarkeit erwiesen ist und die nun allenfalls durch eine Inzidenz von 35 ersetzt werden soll, deren nicht-Beherrschbarkeit wir dann also ganz genau testen wollen?

Wer jetzt wieder denkt, man muss doch über alles reden, die Kollateralschäden beachten, Abwägungen treffen, die Wirtschaft und so: Vollkommen richtig, man kann nicht nur über alles reden, man muss es in der Krise sogar tun. Aber alles ist eben alles und nicht nur eine Seite. Wer jetzt lockern will, muss sagen, wie er den nächsten Lockdown denn zu vermeiden glaubt! Die Antwort aber ist leider vollkommen klar: Der nächste Lockdown ist zwingend oder die Sache mit dem Massensterben muss endlich auf den Tisch. Klar kann man darüber reden, das Problem ist doch ein ganz anderes: Es traut sich halt keiner!

Ich traue mich! Wir reden nämlich in der Tat nicht mal über die Frage des nächsten Lockdowns oder ob wir den bis zum Frühjahr und der damit einsetzenden Erwartung auf Rückgang bei mehr Leben außerhalb geschlossener Räume mit vielleicht 40.000 weiteren Sterbefällen „abgelten“ wollen. Nein, wir reden natürlich über die Frage, ob wir unsere ganze Impfstrategie durch Mutationen gefährden möchten und die Sache dadurch in ein mehrjähriges On/Off-Spielchen (versus Massensterben) verlängern!

Dieses Thema ist natürlich sehr wohl die aktuelle Ergänzung der erforderlichen Diskussion, aber auch das beginnt nun zunächst mal wieder vollkommen falsch in den Medien, denn bereits die Ursprungsvariante von Sars-Cov-2, deren Fingerabdruck in den Daten oben zu sehen ist, erlaubt keine Lockerungs- ohne eine Sterbediskussion. Die neuen Varianten zeigen uns hingegen ganz andere Daten.

Fangen wir mal mit B117 an, der in UK „gezüchteten“ Version. Diese ist um bis zu 50% infektiöser, jedoch nicht erkennbar „gefährlicher“, wie uns einige Wissenschaftler sagen. Wie dumm diese Aussagen sind! Die infektiöseren Verläufe drücken sich in wesentlich steileren Infektionsdaten aus, wie die folgenden Charts auf die Bevölkerungszahl normierter Kurven der bisher wesentlich betroffenen Regionen im Vergleich zeigen.

 

Was das für Deutschland bedeutet, lässt sich sehr leicht abschätzen, wenn wir uns die Schätzungen der Reproduktionszahlen anschauen, die das RKI in seinem Nowcast-Verfahren regelmäßig veröffentlicht. Das folgende Chart zeigt den Verlauf der täglichen Reproduktionszahl R sowie der 7-Tage-Glättung aus der Quelle des RKI. Wie oft erläutert, halte ich von dieser Berechnung wenig. Nicht weil sie fachlich falsch wäre oder R ein schlechter Indikator sei, sondern wegen der enorm schlechten Testdaten in Deutschland. Erkennbar ist das an der starken Oszillation der R-Tageswerte, die alleine auf Datenfehler zurückzuführen sind. Die Glättung über sieben Tage gleicht das etwas aus, aber selbst diese Werte schwanken noch zu stark. R ist ein mathematisch „empfindlicher“ Parameter, der mit diesen Daten nicht gut bestimmbar ist.

 

 

Ich nutze diese Darstellung trotzdem erstmals, weil die Charakteristik des Verlaufs sowie das Niveau von R uns etwas sagen. Die beiden eskalierenden Exponentialphasen beim Aufbau der ersten und der zweiten Welle sind erkennbar, ebenso wie die Tatsache, dass R danach niemals im degressiven Bereich (unter 1,0) auf ein nur näherungsweises Niveau des Anstiegs (größer 1,0) gekommen wäre. Das ist die oben beschriebene Asymmetrie von Aufbau versus Abbau der Epidemiewellen. Wir erkennen aber ferner, dass R niemals auch nur in die Nähe des Niveaus von 0,6/0,7 gekommen ist. Das ist aber der Bereich, den wir mit unseren Maßnahmen sehen müssten, um mit B117 nachhaltig unter 1,0 bleiben zu können. Anders ausgedrückt: Mit B117 als führender Variante werden wir in Deutschland selbst mit den jetzt aktuell geltenden Lockdown-Maßnahmen wieder exponentielles Wachstum sehen!

Wer in diesen kleinen R-Werten übrigens als Ignorant mal wieder Haarspalterei versteht und gerne wie Herr Lindner mehr als einen Haarschnitt erwartet, dem möchte ich nur folgende Nebenrechnung mitgeben: Bei unserem aktuellen Krankenstand von 100.000 bedeutet ein an einem einzigen Tag um nur ein Zehntel (!!) höherer R-Wert 80 zusätzliche(!) Todesfälle. Am zweiten Tag ein Zehntel mehr bei R kommen schon 88 zusätzliche Opfer zustande – Exponentialrechnung! Eine Woche so einen Zehntel Schnaps R mehr sind übrigens 760 Tote zusätzlich – ich lasse es dabei. Die Gefahr von Sars-Cov-2 ist die Geschwindigkeit, daher ist B117 selbstverständlich viel gefährlicher als die Ursprungsvariante, obwohl die Mutation vermutlich nicht tödlicher ist. Das hatte ich bereits vor einem Monat erläutert: „Die Gefährlichkeit von Covid-19 ist die Geschwindigkeit“.

In unseren Medien sind sachgerechre, wissenschaftlich fundierte Berichte aber die Ausnahme. Vielmehr werden mal wieder „Wissenschaftler“ mit irgendwelchen besonders steilen Thesen zitiert, grundsätzlich übrigens ohne jeden Beleg oder irgendeine Nachfrage, ob der betreffende Akademiker dazu eine Untersuchung, gar eine Studie gemacht habe, die im wissenschaftlichen Diskurs mal durch Dritte begutachtet worden sei. So auch zu den Mutationen: Nachdem das Prognosewunder Hendrik Streeck kürzlich verlauten ließ, die Mutationen bereiteten ihm keine Sorgen (Begründung???), legte in den letzten Tagen der Virologe Klaus Stöhr nach. Ich verlinke hier nicht die Spitze des medialen Unfugs, der daraus gemacht wurde, sondern zeige exemplarisch nur einen Screenshot. Wer es unbedingt lesen will, mag sich das bitte selbst heraussuchen.

 

 

Was für ein Unfug!! Da wir aus den UK-Daten bereits seit Dezember recht gut wissen, dass B117 ab einem Schwellwert von nur 5% Anteil an den Infektionen nicht mehr als führende Variante aufzuhalten ist, dürfte Stöhr so ungefähr den letzten möglichen Zeitpunkt zur Veröffentlichung dieses Unfugs erwischt haben. Dieser Zug ist für Deutschland ohnehin abgefahren, wir wissen es bekanntlich mangels Testinfrastruktur bei uns nur über Stichproben, aber bereits am 5. Februar hat das RKI folgende Werte veröffentlicht:

 

Über die weißen Flecken wissen wir nichts, das RKI selbst räumt in seinem Bericht ein, dass die Einschätzung sehr schwierig ist, man geht aber bereits von knapp 6% Verbreitung im Durchschnitt aus. Die Daten dürften eher verzögert die Situation abbilden und zudem das regionale Geschehen unterschätzen. Ein Flächenwert für Deutschland sagt wenig, so meldet beispielsweise Düsseldorf nur eine Woche später bereits 20%., weitere Städte werden nun rasch folgen, zunächst mit Werten zwischen 20% und 30% – wird heute aus einer sehr kleinen Stichprobe für München gemeldet -, dann über die Hälfte und nur wenigen Wochen später dann über 90%. Wer das nicht glauben will, kann gerne die folgende Grafik des Tagesspiegels vom 26. Januar zur Kenntnis nehmen. Die ist also keine drei Wochen alt und sie zählt Nachweise von nur einigen wenigen Einzelfällen, die großen Punkte sind „mehrere“, das beginnt mit DREI Fällen.

Hier geht es zum Artikel im Original.

 

Die Dynamik des oben gezeigten Geschehens aus UK, Irland und Portugal ist also bei uns bereits in vollem Gange und ich bekenne ehrlicherweise, dass wir wohl nur hoffen können, den daraus definitiv zu erwartenden Wiederanstieg der Zahlen unter dem Lockdown noch ausreichend zu erkennen. Denn: Mit der Ursprungsvariante von Sars-Cov-2 in Lockerungen zu gehen, wäre wohl ein Fehler, dessen Preis „nur“ irgendwo in der Größenordnung des „Lockdown-light“ liegt, mit B117 ist das der kürzeste Weg zu einem Lockdown internationalen Ausmaßes, den wir in Deutschland trotz unserer Klagen bisher ja noch nie gesehen haben.

Alternative ist natürlich das Massensterben, ich möchte keine Debatte verhindern! Diese wiederum sollte sich dann bitte der Variante aus Südafrika zugleich stellen, denn da sprechen wir gleich auch von der Dauer des Massensterbens, da diese Mutation erstmals die Wirksamkeit von Impfstoffen unterläuft. Das betrifft nach den Daten aus Südafrika vor allem den Wirkstoff von AstraZeneca. Zudem ist diese Mutation keineswegs ein Thema für Südafrika alleine, sie ist leider in Österreich, im Bundesland Tirol bereits angekommen.

Dass es sich bei der Sache nicht um „Panikmache“ handelt, ist der Verlautbarung von AstraZeneca selbst zu entnehmen, denn die haben bereits angekündigt, ihren Wirkstoff an diese Mutation anzupassen und zwar ausdrücklich für die Versorgung aller Gebiete auf dem Planeten. Das soll schneller als die dafür üblichen sechs bis acht Monate gehen, wir dürfen damit also wohl noch in diesem Jahr rechnen. Da der Wirkstoff in der EU-Impfstrategie eine große Rolle spielt, ist das einmal mehr eine Nachricht, die wir so zur Kenntnis zu nehmen haben, wie sie ist: Wir waren zu langsam, die Mutation war schneller, wir können das nachholen, das braucht aber Zeit.

Licht und Schatten also – und immer wieder der entscheidende Faktor: Zeit! Den müssen wir im Kampf gegen die Pandemie der Medizin nun aber auch verschaffen. Die Entwicklung der Mutationen ist leider agiler, als einige Virologen erwarteten. Das mag auch daran liegen, dass wir es einfach immer wieder „schaffen“, dem Virus so viele Möglichkeiten, aka Infektionen zu geben, um sich weiter zu entwickeln. Ich hatte bereits kurz vor Weihnachten über „Sinn und Unsinn von Mutationsdebatten“ geschrieben. Der Beitrag ist aktueller denn je! Wir erleben nun leider angesichts dieser beiden Mutationen, dass wir eine Variante haben, die unsere Eindämmungsmaßnahmen herausfordert und eine zweite, die unsere Impfstrategie gefährdet. Wir sehen ferner, dass – und hier reden wir nicht mal von Zufall, sondern bitte von Wahrscheinlichkeit – diese Varianten zueinander finden, denn das ist schlicht logisch, weil beide Eigenschaften statistische Vorteile haben.

Es macht tatsächlich fassungslos, angesichts dieser Nachrichten entweder „Wissenschaftler“ wie Stöhr mit deplatzierten Unbedenklichkeitskommentaren zu erleben oder die nicht endenden Kommentare der Art „das Virus hat kein Interesse, seinen Wirt zu schädigen, es wird harmloser werden“. Ich verstehe nicht, dass die Menschen es nicht verstehen, was das für ein kompletter Schwachsinn ist. Sind Viren superschlaue Aliens, die in ihren Corona-Strukturen durch unser Gewebe reisen, weil es ihnen im Weltall ansonsten zu langweilig geworden ist?

Nein, das sind biochemische Strukturen, die als Zoonose gerade erst ihren Jahrhunderte andauernden Weg in der Biochemie des menschlichen Organismus begonnen haben. Einen Plan gibt es nicht, auch keinen Willen, keine Vorsehung oder andere menschliche Kategorien. Es ist ein Prozess der multi-milliardenfach täglich in Millionen Menschen statt findet und je mehr Menschen er findet, desto mehr kann sich die Mathematik dahinter entfalten – und eben nicht in ihren immer wieder gefundenen neuen Zweigen verlaufen.

Daher ist es eben kein Zufall, dass in Manaus, in Brasilien, eine zweite Welle möglich war, obwohl bereits in der ersten vermutlich fast zwei Drittel der Bevölkerung die Infektion durchmachten. Die Herdenimmunität via Durchseuchung ist eine Schimäre, sie existiert nicht, sie ist nicht mal unethisch, es gibt sie schlicht nicht! Es haben dort genug Varianten überlebt, gegen die die Immunabwehr des Menschen aus der ersten Welle nicht wirkt. Das ist nicht „böse“ von dem Virus, das ist biochemische Logik. Welche Variante hätte denn sonst übrig blieben sollen?

So ist es auch kein Zufall, dass sowohl in Brasilien als auch in Südafrika Varianten vorne liegen, die stärkere Erkrankungen bei jüngeren, insbesondere Kindern hervorrufen. Da diese Gesellschaften halt viel jünger sind als die europäischen ist das schlichte Logik! Was müssen solche Varianten wohl tun, um in jüngeren Populationen zu überleben? Sie müssen die Immunabwehr noch besser überlisten und sie müssen noch effektiver in den Organismus eindringen. Das ist kein freundlicher Akt und der führt zunächst mal zu einer gefährlicheren biologischen Wirkung, denn diese ist Voraussetzung dafür, dass es überhaupt zu einer Vermehrung des Virus kommt.

Es ist richtig, dass sich auf Sicht von Jahrhunderten wahrscheinlich – aber eben nicht sicher – eine Variante durchsetzt, die sowohl die Immunabwehr bestens überwindet, als auch den Wirt kaum noch schädigt. Das ist ebenfalls logisch – aber der Weg dahin führt über alle möglichen Sackgassen, gewiss nicht über eine bequeme Geradeausfahrt von Virus und Wirt in den Sonnenuntergang und er muss nicht mal dort ankommen, wo wir ihn gerne hätten! Es ist daher dringend an der Zeit, dass wir dieses biologische Experiment in den Griff bekommen und dass wir vor allem die zeitliche Dimension erkennen. Es geht hier um eine Pandemie, die nur global zu bekämpfen ist und alles andere als eine Lösung über Impfstoffe kann der moderne Mensch nicht allen Ernstes anstreben! Ich hatte diesbezüglich für die Definition unserer Ziele einen Vorschlag formuliert: „Diskussionen über Schulöffnungen verkennen die Dimension der Krise inklusive ihrer Chancen“. Das hat unter meinem Facebook-Profil (auch) zu den typischen polarisierenden „ZeroCovid“-Diskussionen geführt. Dabei ist das zunächst mal kein Vorschlag zu Maßnahmen, sondern zu unseren Zielen! Zur Umsetzung ist in dem Beitrag – außer dem Beispiel, wie man den Interessenkonflikt der Kindesentwicklung und des Infektionsgeschehens lösen könnte – nichts enthalten.

In der Tat bin ich jedoch bereits seit April/2020 dafür eingetreten, das Virus auf den Grenzwert Null zu bringen, also jedes Geschehen mit dem Ziel einzudämmen, das Virus vollständig aus der Gesellschaft heraus zu halten. Es war anhand der Daten recht bald klar, dass es nicht möglich ist, diese Pandemie auf einem wie auch immer selbstgefällig definierten Level zu kontrollieren. Ebenso klar war, dass dies in einen On/Off-Kurs münden wird, der viel zu teuer ist. Ich habe dann die Seite „EndCoronavirus“ gefunden, die auf den Wissenschaftler Yaneer Bar-Yamin zurück geht. der dieser Strategie nach meiner Kenntnis erstmals den Namen „ZeroCovid“ verliehen hat. Da waren die Strategen in Südkorea, Neuseeland, Norwegen, Finnland, Island etc, schon längst mit der ihnen eigenen Interpretation dieses Ziels erfolgreich. Die Seite von Bar-Yamin ist sehr zu empfehlen, sie berichtet über die Strategien der meisten Länder des Planeten.

Erst gegen Ende letzten Jahres wurden die Wissenschaftler in Europa aufgeschlossener für diese Ziele und die damit verbundenen Strategien. In Deutschland wurde der Begriff „ZeroCovid“ nun zuletzt „okkupiert“, wenn man das so sagen darf. Die gleichnamige Initiative ist aber leider politisch mit einer ganzen Reihe gesellschafts- und finanzpolitischer Ideen überfrachtet, die ich hier gar nicht bewerten möchte, sie wären eine separate – kritische – Diskussion wert, sie haben aber mit der Handhabung der Pandemie kausal nichts zu tun. Leider werden aber andererseits, namentlich bei Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und auch bei Grenzfragen, sehr wichtige Elemente der Pandemiebekämpfung verschwiegen.

Das von führenden europäischen Wissenschaftlern propagierte Konzept heißt hingegen „NoCovid“ und es geht aus meiner Sicht in die richtige Richtung. Wer jetzt dahinter wahrnehmungsverweigernd die Freude am ewigen Lockdown, das Einsperren in den Keller und reine Panikmache mit dem Ziel der Untergrabung des Grundgesetzes sieht, dem sei doch empfohlen, das wenigstens mal in einigen Originalbeiträgen zu lesen und nicht nur aus den Medien zu entnehmen. Einige das Konzept tragenden Institute sind keine geringeren als die interdisziplinär aufgestellte Max-Planck-Gesellschaft oder das Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo, dessen Präsident Clemens Fuest, gewiss kein Feind der Wirtschaft, sich sehr klar für diese Strategie positioniert.

Aus meiner Sicht haben wir in Deutschland angesichts der Erfahrungen mit dem On/Off-Kurs bei der ursprünglichen Variante von Sars-Cov-2, aufgrund der nicht mehr zu verhindernden Durchdringung von B117 und wegen der Sicherstellung der Impfstrategie nun nicht nur die Notwendigkeit, sondern bei einer ehrlich geführten Debatte auch die Chance, NoCovid auf die Agenda zu heben. Das kann und darf angesichts der agilen Mutationen nun keine „Utopie“ mehr sein!

Ich möchte das ausdrücklich mit einem Funken Optimismus versehen, dem ich gleich einigen Realismus beimische, denn laut Fuest hat sich mit Markus Söder erstmals ein Spitzenpolitiker für NoCovid ausgesprochen. Nun wird sich zeigen, ob Söder es ernst meint oder damit nur seine Fahne verbindet. Wie schwierig das wird, sieht man an der – ich möchte mich (nicht) entschuldigen – dreckigen Art und Weise, mit der gleich der erste Medienbericht damit umgeht: Der Merkur, den ich hier gewiss nur mit einem gewissen Ekelgefühl verlinke, berichtet zunächst recht nüchtern über Söders Versuche, das zunächst mal seinem eigenen Kabinett beizubringen, um dann seitens des Chefredakteurs mit einer billigen Stimmungskampagne zu reagieren, die rein gar nichts mehr mit den eigentlichen Ideen zu tun hat, sondern diese nur übel diffamiert. Ein Schulbeispiel dafür, wie Debatte nicht funktionieren kann, sondern mit der selbsternannten Forderung nach Debatte einmal mehr verhindert, ja zerstört wird.

An der Stelle könnte ich nun schließen, aber es gibt einen sehr interessanten Bericht der TU-Berlin, der genau an dieser Stelle eine Art Atomrakete in unsere bisherige Maßnahmen-Debatte schießen müsste und der beim Begriff „Schule“ eine wunderbare Überleitung liefert. Mit der kleinen Denkanregung schließe ich diesen Beitrag, denn die TU zeigt in einer Studie, die zweifellos angreifbar ist, da sie aufgrund unserer schlechten Daten mit Simulationen arbeiten musste, wie viel mehr und wie viel anderes (!!) in dieser Pandemie möglich wäre.

Diese Ergebnisse sind zweifellos diskutabel, aber genau das will ich sagen: Wir sollten es halt diskutieren und nicht mit schon halb religiös/dogmatischen Vorbedingungen (Schulen) oder nachvollziehbaren, aber das Gemeinwohl nicht berücksichtigenden, Partikularinteressen betroffener Branchen belasten. Der folgende Auszug aus der Studie zeigt nämlich, was jeder, der ohne Vorurteile mit etwas Distanz über Aerosole, Innenräume, Aufenthaltsdauer und Personenzahlen nachdenkt, dass unsere Schließungen wohl kaum aus der Sache abgeleitet wurden, sondern aus welchen Überlegungen auch immer.

So geht Krise nicht vorbei, so wird Krise nur größer. Wir sollten über die nachhaltigen Ziele reden, wir sollten über NoCovid als dazu passende Strategie sprechen und wir sollten vor allem bei niedrigeren Zahlen dann das zulassen, was physikalisch/biologisch sinnvoll ist – das folgende Chart zeigt dazu eine ganze Reihe sehr liebens- und lebenswerter Dinge.

 

 

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