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Wichtige Meldungen zu Gas- und Strombörsen bleiben in den Medien unter dem Radar

In den letzten Tagen sind einige enorm relevante Meldungen über unsere Energiemärkte in den Medien und in der Folge auch in den Sozialen Medien nahezu untergegangen. Das zeigt leider, wie wenig Substanz jede Diskussion und persönliche Wahrnehmung hat, wenn man nicht selbst etwas tiefer gräbt, sondern sich durch das allgemeine Angebot gut versorgt glaubt.

Folgendes ist kurzfristig passiert: Im fernen Australien hat ein Streik Störungen in der LNG-Logistik ausgelöst. Das hat den europäischen TTF-Preis um 50% ansteigen lassen, 30% binnen eines einzigen Tages (siehe kurzfristiges Chart). Ich hatte hier sehr oft die Entspannungsmeldungen zum Gas heftig kritisiert, davon kann schlicht keine Rede sein. Vielmehr ist klar, dass wir erstens aufgrund der LNG-Verarbeitungskosten langfristig mindestens 50% höhere Gaspreise und zweitens aufgrund der Logistik nun mit sehr heftigen Preisschwankungen zu rechnen haben. Das kann durch das Wetter, geringfügige Fehlplanungen in der Logistik oder wie hier singuläre kleinste Ereignisse, die nicht mal ein paar Promille der Versorgung betreffen, ausgelöst werden. Das langfristige Chart zeigt, dass der Gaspreis früher inzwischen wie eine gerade Linie aussieht, dass er in der Tat auf dem Höhepunkt der Krise komplett eskalierte, aber nun wieder auf mehr als dem doppelten langfristigen Niveau liegt.

Das wird so bleiben und die Vergleiche mit dem Krisenniveau sind schlicht falsch. Wir haben diese Situation einer drohenden Mangellage mit schlimmstenfalls erforderlicher Rationierungen hinter uns, aber wir sind in einer neuen Ära gelandet: Enorme Preisschwankungen um das doppelte frühere Niveau. Da die Gasversorgung bis zu den Endverbrauchern eine sehr langsam wirkende Kette aus Vertragsbindungen mit Lieferländern, Zwischenhändlern und Versorgern umfasst, dauert es Jahre, bis diese neue Situation in allen Endpreise sichtbar wird. Ich kann weder nachvollziehen, weshalb man angesichts dieser Primärpreise von Entspannung spricht, noch kann ich empfehlen, das mit Blick auf die eigene Gasrechnung zu bewerten, denn da ist diese ganze Krise seit 2021 überwiegend noch gar nicht angekommen.

Das ist für Deutschland bereits schwierig genug, denn die Energiepolitik der GroKo hat Erdgas zum strategisch wichtigsten Energieträger des Landes gemacht – ein fataler Fehler. Von den privaten Heizungen bis zur Industrie ist Erdgas zentral wichtig und es ist insofern nicht nachvollziehbar, weshalb nicht alle in der Gesellschaft endlich erkennen, dass wir da raus müssen! Wenn ein Land auf der Erde Wärmepumpen wie wild installieren müsste, um die Verwendung dieses Energieträgers möglichst für die Industrie zu reservieren, dann ist es Deutschland. Wenn eine Industrie möglichst rasch neue Technologien suchen müsste, um Erdgas zu substituieren, dann ist es die deutsche! Nebenbei bemerkt: Bei meinen Gespräche mit Unternehmen erfahre ich überwiegend, dass diese Nachricht sehr wohl angekommen ist. Hier werden die Beruhigungspillen aus den Medien keineswegs geglaubt, die Suche nach Alternativen zum Erdgas ist in vollem Gang, wir sollten das mit unseren Heizungen alle ebenso machen.

Was die Sache strategisch aber noch viel schwerer macht, ist die Dominanz ausgerechnet dieses nun so hohen und „empfindlichen“ Gaspreises im Strommarkt. Durch Merit-Order wird dieses volatile und hohe Niveau unsere Strompreise vollkommen unnötig weiter belasten, weshalb wirtschaftlich die Substitution von Gas insbesondere durch Strom zwar in der Gesamtrechnung vollkommen logisch ist, beim Endverbraucher aber ganz anders aussieht. Wenn eine gesamtökonomisch sinnvolle Maßnahme bei einem Großteil der Verbraucher nicht ankommt, muss die zwingend irgendwo große Gewinne erzeugen. Das sind in dem Fall die Erlöse in Lieferländern, aber auch mitten unter uns.

Dazu zwei Meldungen, von denen die jüngste ebenfalls komplett untergegangen ist: Das Kartellamt hat seit Jahren, siehe dazu den Bericht aus 2021, mit RWE den Energieversorger mit Marktmacht festgestellt. Das ist vor wenigen Tagen nun bestätigt worden. Der jüngste Bericht sagt ganz klar, dass diese insbesondere im Bereich der hoch verfügbaren Kraftwerke besteht. Das sind Kohle- und Gaskraftwerke. Durch Merit-Order sind die schon immer preissetzend, inzwischen sind es vor allem die Gaskraftwerke. Die jüngsten Unternehmensberichte von RWE, die ich ebenfalls zitiert hatte, sagen sogar glasklar, dass man ausgerechnet mit den teuren Gaskraftwerken, die unsere Strompreise eskalieren lassen, besonders gute Margen erzielt. Es ist also keineswegs so, dass in diesem Markt der Erzeuger mit den höchsten Produktionskosten die geringsten Margen hat. Nein, im Gegenteil, er setzt nicht nur den Preis, sondern tut dies mit besonders guten Margen!

Nebenbei und mit besten Grüßen an Bild et al. besagt der letzte Bericht des Kartellamts, dass derzeit die Stromimporte die größte Hoffnung für die Minderung dieser Marktmacht darstellen. Sehr interessantes Detail an der Stelle, das ich nicht unerwähnt lassen möchte. Auch das findet sich in unseren Medien: NULL!!

Was wir hier sehen, ist eine ganz Europa bezüglich der Energiepreise essentiell und vielleicht sogar existenziell bedrohende Schieflage im Markt-Design. Energiebörsen dieser Art sind für den Handel von marginalen Mengen gedacht. Dass dabei Preise kurzfristig je nach Verhältnis von Angebot und Nachfrage enorm schwanken, ist vollkommen in Ordnung, denn das schafft explizit im Marginalhandel die erforderlichen Anreize.

ABER: Preissetzende Wirkung für die gesamte Energieversorgung durch solche Börsen gehen gar nicht! Energie ist Grundversorgung, die für Produzenten wie Abnehmer langfristig, sicher, stabil und auch preisstabil zu gestalten ist. Da sind Börsen für den Ausgleich marginaler Über- oder Mindermengen ADDITIV sinnvoll, aber nicht für die Preise im Gesamtmarkt. Diese Vehikel haben eine Rolle erhalten, die ganz und gar nicht akzeptabel ist, das ist dysfunktional!

Beim Strom ist das alles noch viel schlimmer und das also bei unserem zukünftig allerwichtigsten Energiemarkt. Hier kommt nämlich hinzu, dass ganz wenige Akteure durch ihre Handlungsweise den Gesamtmarkt manipulieren können und zudem alle Akteure am Markt Interesse haben, dass genau das passiert. Technisch wird immer wieder Spitzenlastproduktion durch Gaskraftwerke zwingend erforderlich, um das Netz zu stabilisieren. Wer diese genau dann zu welchen Preisen in die Auktion gibt, ist aufgrund der anonymen Börsentransaktionen unbekannt. Es sind aber nur wenige, die das tun können und es ist im Interesse aller anderen, dass die dabei besonders hohe Preise setzen.

Ich kann nicht sagen und tue das auch nicht, es erfolge dadurch eine Manipulation. Das ist nicht beweisbar. Meine Aussage aber lautet, dass sie möglich ist.
So etwas ist nicht neu, es ist an den Kapitalmärkten oft genug passiert. Oliver Stone hat zwei geniale Filme mit dem Titel „Wall Street“ dazu gemacht. Leider kann ich nur ein zweites Faktum dazu ergänzen: An den Kapitalmärkten gibt es inzwischen eine sehr umfassende Regulierung, um Manipulationen zu verhindern und sehr mächtige Institutionen, die darüber wachen. Stone hat das in seinen Filmen gut aufgearbeitet.

An den Gas- und Strombörsen gibt es dergleichen: Nicht!

 

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